Über schlagloch

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht mehrmals die Woche eine kleine Studie zu verfassen und teilt dies per Weblog „schlagloch“ einer stetig wachsenden Internetgemeinde mit. Einzelne Leser treten auf der Internetplattform mit ihm auch in eine Diskussion über das Geschriebene ein. Vom Deutschen Literaturarchiv Marbach werden ausgewählte Online-Publikationen, so auch das Blog „schlagloch“ auf der Plattform Literatur-im-Netz langzeitarchiviert. Einige „Schlaglöcher„ hat er materialisiert und zu Büchern gemacht: Zeitenwandel (2009); Die Beobachtungen (2011); Bruchstellen (2015).

widerspruch

Als außenstehender Beobachter denke ich, dass es bei einem Meinungsaustausch nicht darum geht, dass jemand recht hat. Wichtig ist, dass jeder Beteiligte seine Meinung äußert, ohne jemand anderen zu bevormunden oder seine Meinung aufzuzwingen. Eine andere Meinung zu haben oder das Thema mit anderen Ansichten zu erweitern bedeutet nicht, es geht um des Widersprechens willen. Ich kann mir vorstellen, dass es einen Konsens gibt, für ein gepflegtes Erscheinungsbild und über die Ausführung des Daches und die Fassadenverkleidung trifft nicht aller Geschmack. Muss immer jemand Recht haben und Recht behalten?  Zu einer Sache kann es ein breites Spektrum an Ansichten geben, was kann falsch sein, wenn man eine Sache anders beurteilt. Wie soll ein Wissensaustausch funktionieren, wenn jemand den Anspruch stellt, dass nur sein Standpunkt richtig ist.

Etliche Jahre wurde der kleinwüchsige Ober ob seines originellen Haarzopfes und seiner Kompetenz gelobt. Seine umsichtige und flotte Art garantierte, dass er das Service im Griff hat. Sein Auftreten gegenüber den Gästen war weder abwertend, noch von einer unnatürlichen Höflichkeit geprägt. Alle extra Wünsche wurden an die Küche weitergegeben, ob Salat ohne Dressing und nur mit Essig und Öl oder das Rinderburger durchgebraten und das Leitungswasser angewärmt. Für alle Wünsche war er offen und man konnte sich darauf verlassen, dass sie erfüllt wurden. Hatte der Gast einen Sager auf den Lippen, so ist er darauf eingegangen, hat nichts zurückgewiesen oder abgelehnt.  All dies wurde an ihm geschätzt, nach dem letzten Besuch im Restaurant war die anschließende Meinung, der Ober sei unfreundlich. Hofiert in übertriebener Art wurde man von ihm nie, man hat sein solides Service geschätzt. Könnte es der Fall sein, dass nicht der Ober einen Minuspunkt verdient, sondern dass man selbst in das Minus gerutscht ist. Beim Restaurantbesuch einen unfreundlichen Tag hatte und dies auf den Ober projiziert hat? Ehrlichkeit tut gut.

hausfassade

Wie könnte man sich eine Meinungsfindung durch den Austausch von verschiedenen Ansichten vorstellen?  Austausch signalisiert, dass man mit jemandem oder unter mehreren teilt. Ich gebe dir aus meinem Gemüsegarten Zwiebel, ich erhalte von deinem Obstgarten Kronprinz-Rudolf-Äpfel. Beim geistigen Austausch von Meinungen zu einem Thema oder einer Frage passiert ähnliches. Einen Meinungsaustausch kann es über ein neues Automodell geben, eine öffentliche Badeanlage oder das Aussehen von einem Einfamilienhaus. Ein Spaziergang an einem schönen, sonnigen und milden Frühlingstag, wie die warmen Tage im Juni genannt werden, führte auf einer Wohnstraße durch eine ruhige Vorstadtsiedlung. Die Einfamilienhäuser, zumeist inmitten einer Grünfläche gelegen, darauf ein paar Sträucher und Obstbäume gepflanzt. Die Häuser unterscheiden sich im Baustil ein wenig, nach dem Äußeren zu urteilen wurden sie in verschiedenen Zeitfolgen gebaut.  Wahrscheinlich wurde von einem Bauern sukzessive Baugrund verkauft, es gibt höchstens etwa drei Häuser in demselben Baustil.

Eine der Spaziergängerinnen stellt an die begleitenden Männern die Frage, „gefällt euch dieses Haus“? Es besticht, dass die Dacheindeckung weit heruntergezogen wurde, auch die Fassade vom ersten Stock ist mit Schiefertafeln verkleidet. Für sie ist das Haus furchtbar, weil sie an der Fassade die dunklen Schiefertafeln stören. Ein Mann äußert sich, für ihn vermittelt das Haus und der Garten einen gepflegten Eindruck. Die Frau ist brüskiert, sie habe danach gefragt, ob er das Haus schön findet? Er bleibt dabei, das Anwesen macht einen gepflegten Eindruck und die Ausführung wird dem damaligen Baustil entsprechen. Der zweite Mann äußert sich, ihm gefällt die Bauweise und der aufgeräumte Eindruck. Der zweiten Frau gefällt der Baustil nicht, es stören sie die Schiefertafeln an der Fassade, der Aussage gepflegter Eindruck stimmt sie zu. Die Meinungen variieren und die Frauen werfen den Männern vor, ihnen immer zu widersprechen.

aktionsapp

In meiner Gesäßtasche steckt der Einkaufszettel, welchen ich gleich nach dem Eintreten in den Supermarkt zücke. Auf dem Einkaufszettel gibt es eine gewisse Ordnung, so wie die Lebensmittel vom Eingang bis zur Kassa gelagert sind, schön nach Warengruppen. Benütze ich immer wieder denselben Supermarkt, lässt sich zu Hause der kürzeste Einkaufsweg planen. Etwa zweimal jährlich verliert der Plan im Kopf seine Gültigkeit, weil die Handelskette die Anordnung der Waren im Supermarkt verändert, auf den Kopf stellt. Umräumen, dabei werden auch Waren, die wenig gekauft werden, aussortiert. Marktschreierisch die Regale durch regionale Waren befüllt. Die Regionalität des Angebots wird gerne betont, in einem durchschnittlichen Supermarkt ist der Aufsteller mit Regionalen Spezialitäten eine Alibihandlung. Die Treuepunkte und die Bonuspunkte und die Pickerln sogen nur für Verwirrung.   

Die Aktionen, welche auf den bunten Prospekten aus dem Brieffach quellen ist etwas für Spezialisten und die Preisvergleiche meist der Mühe nicht wert. Der Zugriff bei den Eigenmarken lohnt sich regelmäßig und man braucht nicht mit dem Aktionszettel oder der Actions App durch das Geschäft balancieren. Es ist raffiniert und psychologisch durchdacht, welchen Namen die Eigenmarke haben. Das S-Budget, da muss ich neidlos anerkennen, dass der Name schon Programm ist. S-Budget wie Sparbudget. Wer fühlt sich nicht angesprochen, wenn eine Lebensmittellinie clever heißt? Jeder würde sich, wird er danach gefragt, als clever bezeichnen. Findige Fernsehreporter haben es auf den Punkt gebracht, dass die Eigennamen der Lebensmitteldiskonter zumeist von einem Markenhersteller produziert werden.  Damit werden Leerzeiten in den Produktionsstätten gefüllt. Mit Stolz endet bei mir der Einkauf, wenn ich die Lebensmittel vom Laufband in den Einkaufswagen befördere und danach die Rechnung kontrolliere. Ganz oben steht am Kassenzettel, die Ersparnis beim Einkauf beträgt heute -.45 Cent.

semmelgourmet

Zeitweise bin ich für den Einkauf der täglich benötigten Lebensmittel zuständig. Stimmt das Vorurteil, dass Männer, werden sie zum Einkaufen geschickt, sich nicht an den Einkaufszettel halten? Die Partnerin meint dies wisse sie verlässlich, dies sei schon in ihrer Familie so gewesen. Ihre Mutter hat sich öfter beschwert, dass der Vater zu viel und zu große Portionen einkaufte. Zusätzlich Artikel welche nicht gebraucht wurden. Wahrscheinlich ist dies ein Reflexreaktion, dass Männer etwas kaufen bei dem sie zu kurz kommen, wenn die Frau den Einkauf erledigt. Dabei ist für eine Tüte Chips oder eine Tafel Schokolade kein Platz. Auf jeden Fall, wenn das Haushaltsbudget nicht groß ist, oder die Hose beim Mann um den Bauch zu eng wird.

Der Generationenunterschied zeigt sich beim Einkaufsverhalten im Supermarkt. Gleich nach Geschäftsöffnung kommen die Semmelgourmet und holen sich die backfrischen Semmeln für das Frühstück, der Fitnessmarsch ist gleich inkludiert. Gestützt auf das Einkaufs Waggerl stehen ältere Personen mit ernstem Gesicht im Gang vor den Regalen. Die Stirn in Falten gelegt gehen sie die Regale ab um dann, bei der Kassa drei Artikel auf das Förderband zu legen. Sie besuchen fast täglich den Lebensmittelmarkt, es ist ein fester Termin am Vormittag und der tägliche Einkauf wird zu einer sinnstiftenden Tätigkeit. Kunden, welche einen handgeschriebenen Einkaufszettel aus der Jackentasche ziehen, gehören  zu der älteren Generation. Penible streichen sie mit einem Kugelschreiber jede Position am Einkaufs Zettel, die sie in den Einkaufskorb legen, durch. Bei den Kundinnen, welche sich mit Schwung durch den Supermarkt bewegen, mache ich gerne einen Schritt auf die Seite. Hin und wieder werfen sie einen Blick auf ihr Smartphone, wo die Einkaufsliste gespeichert ist. Dazwischen wird mit der Freundin geplaudert. Werden dabei Rezepte ausgetauscht?  

gesundbrunnen

Wie gelingt es, dass der Ärger über eine Situation, über eine verpasste Gelegenheit nicht in eine innere Explosion mündet?  Zumeist betrifft einem eine Explosion selbst am meisten. Die unheilvollen Auswirkungen vergangener Verletzungen von Eltern, Vorgesetzten oder von Familienzerwürfnisse, welche Jahrzehnte andauern können, sind hinlängliches bekannt. Sie belasten und prägen eine Person, dies ist immer wieder Thema den lokalen Gesundheitstagen im Bezirk Villach.

Wie können positive zurückliegende Erlebnisse diese Explosion eindämmen? Würden wir uns bemühen über die erfreulichen Erlebnisse genauso angestrengt nachzugrübeln wie über Enttäuschungen, würden uns viele dieser Begebenheiten einfallen. Eingebettet in ein gesichertes Umfeld sind unsere vermeintlichen Probleme, sind sie nicht lebensbedrohend, beschämend anhand vieler Kriege. Ärger über einen wirtschaftlichen Schaden, der im Urgrund eine versäumte Gelegenheit für mehr Gewinn ist. Wirtschaftlicher Schaden, anderseits verschont von verwüsteten Lebensräumen, zerstörten Wohnungen und unterbrochenen Sozialleben. Unzufriedenheit gründet in einer Unsicherheit wie die Lebensgestaltung in Zukunft sein wird.  Ein Glücksfall, wer im Alter nicht lange zögert und sich einige Gusto Stückeln gönnt. Je nach seinen Wünschen und seinen finanziellen Möglichkeiten. Wer damit hadert, für die eigene Seelen Zufriedenheit nicht in guten Tagen gesorgt zu haben, stimmt traurig. Dazu die Gewissheit, dass man manches nicht mehr verwirklichen kann. Bei körperlichen Einschränkungen die Möglichkeiten entdecken, woran man Freude hat. Das Suchen danach wird mühsamer, wenn man nicht aus dem Gesundbrunnen schöpfen kann.