rad:fahren

Vor einigen Jahren sind wir mit dem Zug nach Pörtschach gefahren, um uns von der Zukunft inspirieren zu lassen, um uns die Zukunft vorführen zu lassen. Ein paar Monate gab es in Pörtschach eine Versuchsstrecke für einen autonom fahrenden Kleinbus, ein Bus ohne Lenker. Die Strecke führte vom Bahnhof in Richtung See und retour, sie dürfte etwa drei Kilometer lang sein, eine Schnupperstrecke. Wie kam es zu dieser Teststrecke? Einerseits hat sich eine Firma für Zukunftslösungen im Verkehrswesen in Pörtschach niedergelassen und anderseits sieht sich Pörtschach nicht nur als Fremdenverkehrsort, sondern möchte auch an die Technologie mit künstlicher Intelligenz anschließen. Das Hotel Miralago, wo einst die Schwester beschäftigt war, beherbergt in den Sommermonaten immer noch Gäste. Bei einem kurzen Lokalaugenschein hatte ich den Eindruck, dass es noch denselben Charakter und dasselbe Interieur wie vor fünfzig Jahren hat.

Im Corona Frühjahr- und Sommer näherte ich mich dem Wörthersee am liebsten mit dem Fahrrad. Zuerst mit dem Zug von Villach nach Velden, um ihn im Uhrzeigersinn zu umrunden. Dabei schaffe ich alle Höhen und Tiefen die der Radweg bietet. Beim Radfahren gehöre ich nicht zur Prominenz, weder von der Figur, noch bei der Bekleidung und auch nicht bei der sommerlichen Bräune. In Radfahrerkleidung, welche  bescheiden ausfällt. Keine enganliegenden Radfahrerhosen und T-Shirt mit knalligen Farbtönen, als wäre ich ein Radprofi und Teilnehmer der Österreichrundfahrt. Meine Bekleidung besteht aus einem dünnen, klimafreundlichem Hemd mit langen Ärmeln, diese schützen vor einer Sonnenallergie. Dazu eine kurze alltags taugliche Hose. Trotz dieser werktags mäßigen Bekleidung fühle ich mich der großen Zahl an Radfahrern zugehörig und mische mich ohne Scham unter die Urlauber. Radfahren boomt, in Zeiten der Corona Pandemie erlebt es einen großen Zuspruch.

Radfahrerparadies

bub:mädchen

Ein Diskurs im Sprachcafé  entspannte sich über das Geschlecht des Wortes classmate, der Mitschüler oder die Mitschülerin? Die englische Sprache kennt keinen Artikel, wie wir ihn in der deutschen Sprache benützen. Will man wissen, ob es ein Bub oder ein Mädchen ist, muss man nachfragen: it es a boy oder it es a girl. Die englische Sprache hat in ihrer Entwicklung Weitblick bewiesen. In den Ländern Nordeuropas ist es bereits verpönt, die Eltern von Kleinkindern nach dem Geschlecht ihres Kindes zu fragen. Die neue Generation soll geschlechtsneutral aufwachsen. Das bedeutet im Alltag, dass die Kinder abwechselnd einmal als Mädchen, dann wieder als Bub erzogen und gekleidet werden. Bislang wurden für Buben Bagger, Autos und Bausteine und für Mädchen, Puppen, Puppenkleider sowie Kochgeschirr gekauft. Jetzt ist es Praxis, alles bunt zu mixen. Das Kind ab dem dritten Lebensjahr soll selbst entscheiden, ob es lieber mit Puppen oder mit Autos spielt. Beim Eintritt in die Schule darf jedes Kind frei wählen, will es lieber Friedrich oder Frieda heißen. Wie dies bei der Ausstellung der Geburtsurkunde gehandhabt wird, dass das Geschlecht erst nach dem sechsten Lebensjahr eingetragen wird, lässt sich kinderleicht mit einem Gesetz bestimmen.

Ähnliches war sogar Anfang der vierziger Jahre, bei meiner Schwester möglich. Sie ist im November geboren. Vater und Mutter waren zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht verheiratet, sie hatten die Absicht Ende Dezember zu heiraten. Somit war die Schwester ein uneheliches Kind. In ihrer Geburtsurkunde steht aber schon der Familienname des Vaters. Der Vater hat den Amtsleiter der Gemeinde darauf angesprochen, dass die Hochzeit kurz bevorsteht, somit wurde die Schwester im Register und auf dem Geburtsschein als eheliche Tochter eingetragen.

Bub oder Mädchen

amts:stube

Der Amtsleiter einer Gailtaler Gemeinde erzählt mir, wie sich der Umgang zwischen Beamten und Bürger in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Bei seinem Eintritt in die Verwaltung der Gemeinde, nach einem Hak Abschluss, waren die Türen zu den meisten Büros, egal ob Bauwesen, Müllentsorgung, Meldeamt oder Sozialwesen geschlossen. Zaghaft näherte sich der Gemeindebürger der Amtsstube und klopfte vorsichtig an. Zögerlich öffnete er die Tür um zu sehen, ob sein Eintreten dem Beamten angenehm ist?  Je nach Gesichtsausdruck des Beamten konnte man beurteilen, wurde der Beamte gestört? War er gerade in einen Akt vertieft, wollte er gerade eine kleine Erfrischung zu sich nehmen oder war er über einen Telefonanruf verärgert. Der Gruß des Bürgers wurde halbherzig erwidert, selten wurde man aufgefordert Platz zu nehmen, nach dem Motto, Zeit ist Geld. Bei seinem Eintritt wurde vom Amtsleiter kaum ein Klient eines Blickes gewürdigt und gegrüßt. Seit seiner Tätigkeit als Amtsleiter ist es eine Selbstverständlichkeit das die Tür zu seinem Büro offen steht.

Er merkt an, dass die devote Haltung der Bürger von einst, heute oftmals in das Gegenteil umschlägt. Jetzt ist es der Fall, dass die Beamtenschaft mit Vorwürfen, mit Beschimpfungen, mit überzogenen Reaktionen rechnen muss, wenn etwas nicht nach Wunsch des Klienten verläuft. Der Beamte ist an Regeln und Gesetze gebunden, der Parteisteller hat ein Recht auf eine faire Behandlung. Sein Wunsch ist, dass beide Seiten, Beamte und Bürger sich mit gegenseitiger Achtung begegnen, von Mensch zu Mensch.

digital:amme

Während eines Aufenthaltes im Hotel oder bei einem Besuch einer Jungfamilie erlebt man, dass das Smartphone oder Tablett bei Kleinkindern als digitale Amme dient. Heute die ideale Kinderbetreuung. Beim Abendessen verlangt das einjährige Mädchen vehement nach dem Smartphone, es liegt mehrfach in Griffweite auf dem Familientisch. Es gibt nicht Ruhe, bevor es nicht eingeschaltet wird. Das Mädchen starrt auf das Display des Handys, während die Mutter mit einem Kaffeelöffel versucht einen Brei in den Mund des Kindes zu stopfen. Das Kleinkind hat den Mund halb offen, bemüht sich aber nicht nach dem Brei zu schnappen, den Löffel abzuschlecken. So eingenommen ist es von den Figuren und Bildern auf dem Bildschirm. Der Versuch das Smartphone zu entfernen, endet jedes Mal mit einem Zornesausbruch.

Vor kurzem mahnte eine Kinderärztin in einer Zeitung, Kleinkindern unter zwei Jahren ein Smartphone zur Beschäftigung zu überlassen. Ein digitales Gerät kann kein Ersatz für eine spielerische Beschäftigung mit dem Kleinkind sein. Die Realität ist in den Jungfamilien und im öffentlichen Raum eine andere. Welche Folgen dieser frühe Konsum von digitalen Medien für die Wahrnehmung der Realität und der sozialen Kommunikation in späteren Jahren einmal haben wird, bleibt offen. Ich bin froh darüber, dass in meiner Kindheit Bilderbücher, Märchenbücher und Kinderbücher die wichtigsten Quellen zur Beschäftigung und Unterhaltung waren.

Kartoffelbrei

früh:geburt

Zu den Auswirkungen des übermäßigen Internet- oder Handykonsum gibt es viele Studien, Zeitungsartikel und Bücher, unübersehbar. Was den Internet- und Handykonsum betrifft, befindet sich die Generation über sechzig in einer glücklichen Lage. Sie befindet sich in der Gnade der frühen Geburt.  In Zusammenhang mit den Kriegs Greul im Zweiten Weltkrieg spricht man von unserer Generation von der Gnade der späten Geburt. Durch die extensive Internet- und Handybenützung und damit folgende Entwicklungsschäden im Kindesalter oder digitales Suchtverhalten, haben die vor den siebziger Jahren Geborenen das Glück der frühen Geburt. Wir waren schon erwachsen und sind dem Überkonsum des Handy und Internet entgangen. In einer entscheidenden Entwicklungsphase, im Kleinkindalter, wurden wir noch nicht von einer digitalen Amme betreut.

Mit Autos zum Aufziehen, Teddybären, Holztraktor und Bilderbücher wurde versucht unsere Aufmerksamkeit und Stillverhalten zu erwirken. Ältere Geschwister haben Märchen vorgelesen. Zum Büldl schauen genügte ein alter Bauernkalender oder Reimmichlkalender vom verflossenen Jahr. Teilweise waren sie schon mit einem Bleistift oder Buntstiften vom älteren Bruder vollgekritzelt. Um einzelne Blätter zu zerreißen und später um einzelne Bilder herauszuschneiden waren sie immer noch zu gebrauchen.

Märchenkubus