lebens:lang

Haben Senioren das Recht, die Hände einmal in den Schoß zu legen? Der Ausdruck „die Hände in den Schoß zu legen“ wird heute kaum noch verwendet und ist wahrscheinlich nicht mehr oft zu sehen. Eine schöne Erinnerung an meine Mutter ist, wie sie auf einer Bank vor dem Bauernhaus in Politzen sitzt und um, Wort wörtlich, die Hände in den Schoß zu legen. Dazu trägt sie eine saubere Schürze und ein Kopftuch. Sie sitzt einfach da, völlig entspannt, würden wir heute sagen. Dabei richtet sie ihren Blick auf den Hausgarten, wo einzelne Blumen blühen und etwas entfernt führt eine Landstraße vorbei. Dort fährt im Stundentakt ein Auto vorüber. Nach jahrzehntelanger Bauernarbeit kann sie jetzt mit ihren über Fünfundsiebzig Jahren die Hände einfach in den Schoss legen. Niemand verlangt von ihr, dass sie verreist, etwas Bestimmtes liest oder unter dem Motto „sich regen bringt Segen“ nützlich macht. Still lächelnd sitzt sie in der Nachmittagssonne und nickt dabei kurzfristig ein. Irritiert blickt sie auf, wenn wieder ein Auto vorbeifährt.

Die Verpflichtung zur Selbstoptimierung gibt es auch im Gesundheitsbereich, vor allem an die Senioren wird gebetsmühlenartig appelliert, sich körperlich fit zu halten. Bei meinem Antrittsbesuch beim neuen Hausarzt, der Bisherige ist in den Ruhestand getreten, war dieser etwas irritiert, als ich zu ihm gesagt habe: „Ich wünsche mir für die verbleibenden Jahre ein erträgliches Leben, ich strebe nicht die Gesundheitswerte eines Vierzigjährigen an“.

Nachmittagssonne

kind:heit II

Heute schlägt das Bedürfnis nach Anleitungen für die Unterstützung beim Erziehen der Kinder in das Gegenteil um. Durch den leichten Zugang zum Internet wird bei jedem Konflikt mit dem Kind, bei jedem Furz des Sprösslings, im Internet gegoogelt. Kurz und bündig ausgedrückt, bei Problemen und Beschwerden mit Jugendlichen lies nach bei Google. Googeln hilft immer, zumindest erhöht die Zweifel. Nicht viel geändert hat sich an den Entwicklungsphasen der Jugendlichen, man könnte sagen Gott sei Dank. Manche Abschnitte setzten um ein bis zwei Jahre früher ein.

Heute beklagt man, dass es zu wenige Psychologen, im speziellen Kinderpsychiater gibt, genauso wie Sozialhelferinnen. Vor fünfzig bis dreißig Jahren war die Aussage an das Kind, du kommst zu einem Psychiater, eine Drohung. Genauso hat man gedroht, wenn du nicht brav bist, dann holt dich der Krampus. In Kärnten gab es zwei Krampusgestalten als Psychiater, dies waren die Personen S&W.  Beide wurden sowohl für Kinder als auch für Erwachsene als Druckmittel eingesetzt. Ich glaube, diese Psychoruten an der Wand prägen bis heute das Verständnis und das Bild von Psychiatern und Psychologen der älteren Generation. Lieber am Operationstisch eines Chirurgen,  als auf der Couch eines Psychiaters landen.

kind:heit I

Für mich überraschend ist, dass in manchen Gesprächen plötzlich Begebenheiten aus der Kindheit auftauchen. Zumeist erinnern wir uns an schöne Kindheitserlebnisse. Zumeist deshalb, außer es hat schlimme Vorkommnisse in der eigenen Kindheit gegeben. In späteren Jahren wird immer wieder versucht für manches persönliches Fehlverhalten die Ursachen in der Kindheit auszumachen. In einem Seminar Bewusst altern  wurde darüber gesprochen, wie viele Traumata es bei den einzelnen Teilnehmern gegeben hat und ob die Traumata der Jugend heute noch eine Rolle spielen. Dazu ist anzumerken, ist es sinnvoll, heutige Richtlinien für die Kindererziehung, auf die damalige Kindheit anzuwenden. Vor allem könnte man einwenden, es wird sich erst weisen, ob der heute gepflegte Umgang mit den Kindern fruchtbar sein wird. Fruchtbar in dem Sinne, dass die nächsten Generationen eine lebenswerte Umgebung schaffen werden. Es hat schon Tradition, dass die aktuell bestimmende Generation der Vorhergehenden vorwirft, in jenem und jenen Bereichen versagt zu haben.

Für jeden handwerklichen und kaufmännischen Beruf gibt es drei- bis fünfjährige Ausbildungszeiten, da frage ich mich, ist das Talent für die Kindererziehung uns allen schon in die Wiege gelegt? Orientieren wir uns dabei daran, was wir als Kinder erlebt haben? Dies würde bedeuten, so ist es oft im Alltag, dass schlechte Erfahrungen nicht vergessen, sondern bei den eigenen Kindern erneut angewendet werden. Die Bereitschaft von jungen Eltern sich über verschiedene Erziehungsmethoden in Elternzeitschriften zu informieren ist heute um einiges größer, als es noch vor fünfzig Jahren war. Dazu ist zu sagen, dass damals weder die Zeit noch das Bewusstsein dafür vorhanden war. Verständnis für Kinder hat es auch in früheren Jahren allemal gegeben. Was heute für ein Kind an Kleidung, Spielzeug und Unterhaltung  selbstverständlich ist, war damals nicht selbstverständlich. Es hat aber auch niemanden gefehlt.