ESSAY:lesen

Das wir wieder Weihnachten feiern werden ist in unserem Kulturkreis sicher, auch wenn jedes Jahr über die Hektik in den Einkaufszentren und den Trubel in den Innenstädten geklagt wird. Der Advent ist zu einem Event geworden. Mit  Bussen werden die Menschen aus den Regionen Friaul und Slowenien zum Christkindlmarkt in die Draustadt gefahren. Rund um die Stadtpfarrkirche wandern die Gäste staunend und plaudernd von einem Verkaufsstand zum Nächsten. Hier finden sie Glaskugeln, Nackenrollen, Holzspielzeug, ungarische Spezialitäten, Käse aus der Schweiz und Speck aus Südtirol. Hauspatschen und Schals, sowie kandierte Früchte und vieles mehr. Der Name „Christkindlmarkt“ verweist noch auf die Geburt Christus, des Erlösers hin. Vielerorts werden die Märkte als Advent- oder Weihnachtsmärkte bezeichnet.

Nicht zu kurz kommt die Klage, dass heute das Materielle, das Schenken, im Vordergrund steht und nicht die innere Zuwendung. Vergeblich bemüht man sich die Stille zu finden, sich auf die Geburt des Erlösers vorzubereiten. Die Klagen über die Auswüchse der Weihnachtszeit, den Konsum sind nicht  neu, schon in Erzählungen und Briefen aus dem achtzehnten Jahrhundert wird darüber geklagt. In den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts habe ich einmal kritisch auf die Vorweihnachtszeit geblickt und in der „Volkszeitung“ einen Essay verfasst.

WOHLSTANDSWEIHNACHT oder Weihnachten realistisch betrachtet

Der Text folgt am FREITAG, den 7. Dezember.

 

WIEN:splitter II

Kommt ein Wienbesucher in die Verlegenheit, gleich ob er aus einem Bundesland angereist ist oder einem europäischen Land, eine typische Haltung oder Geste der Wiener zu beschreiben, dann könnte er sagen: „In der U-Bahn auf den Oberschenkeln verschränkte Arme, welche die Handtasche oder den Stadtrucksack festhalten. Die U-Bahn ist ein modernes öffentliches Verkehrsmittel, man kommt mit ihr schnell zu den wichtigsten Zentren und Plätzen der Stadt. Beim genauen Hinschauen gibt es verschiedene Eigenheiten, eine ist das Misstrauen gegenüber dem Sitznachbar. Alle Taschen werden krampfhaft mit beiden Armen festgehalten. Oder ein plötzlicher Platzwechsel, wenn jemand dem Äußeren nach nicht ordentlich aussieht. Immer wieder zu beobachten ist, dass jemand seinen BicMäc mit dem Hund teilt. Ein Problem sind die Gratiszeitungen, die beim Eingang zur U-Bahnstation mitgenommen werden, durchgeblättert werden und im Waggon liegengelassen werden und später  am Boden landen. Man muss in der U-Bahn über einen Zeitungsblätterwald darübersteigen.

Gleich rechts und links vom  Eingang in den Stephansdom befinden sich die Altäre der Heiligen, wo man gegen Bezahlung ein Teelicht vor dem Altar anzündet, umso die Fürbitte zum Heiligen zu verstärken. Wer es bequemer haben will, kann gegen eine Gebühr einen Zettel ausfüllen und darauf seine Bitte schreiben und in einen Korb werfen. Von kirchlicher Stelle wird versichert, dass für alle Bitten im Korb zu einem bestimmten Zeitpunkt, am 8. 12., gebetet wird.

Alles bezahlt.       

WIEN:splitter

Nach einem dreistündigen Ausstellungsmarathon mache ich es mir im Bistro des Museumsquartiers bequem und bestelle Hühnerbruststreifen mit Wokgemüse und Basmatireis. Die Einrichtung ist so gestaltet, dass auf wenig Raum viele Leute Platz haben. Der Wand entlang eine Bank, vis a vis ein Stuhl und dazwischen ein kleiner Tisch, Platz für zwei Personen, alles eng nebeneinander. Neben mir sitzt ein junger Mann der unablässig telefoniert und im Web surft. Er teilt anderen immer auf das Neue mit, wo er gerade ist und was er gerade trinkt. Von den Anderen erfährt er, dass sie gleich hier sein werden. Früher fragte man beim Telefonieren, „Wer ist am anderen Ende der Leitung“, weil das Telefonieren ganz real über ein Telefonkabel erfolgte. In den nächsten Minuten ist es so weit, die Freunde, ein junges Pärchen, treffen im Bistro ein. Die junge Frau ist wahrscheinlich Studentin an der Universität für angewandte Kunst, Richtung Fotografie? Sie beginnt damit,  alle Gegenstände zu fotografieren, den Aschenbecher, die Zigarette mit Hand, wahrscheinlich die Finger mit Zigarette, das Gesicht des Freundes mit Sonnenbrille und ohne, mit vertauschten Sonnenbrillen. Den Hals mit Schal und getauschten Schal. Die Imbisse, Salat mit Hühnerbruststreifen und ein Haustoast, sind einige Aufnahmen wert. 

Nachdem man sich auf der Kamera die Bilder angesehen hat, ist das Gesprächsthema die Mode. Egal welches Assessors, für den einen muss es diese Modefirma sein, für den anderen Jene. Dabei kommt es zu einer Auseinandersetzung. Einer der jungen Männer besteht darauf, dass man, um wirklich den neuesten Trends zu entsprechen, alle drei Monate nach London fliegen muss um dort seine Modeeinkäufe zu tätigen. Der Andere vertritt die Meinung, dass es genügt im Internet nachzuschauen und direkt zu bestellen. Die junge Frau, die Fotografin, erzählt von einem Freund der so toll aussieht, dass ihm  einfach alles passt. Er sieht auch dann noch gut aus, wenn er  sich unterwegs ein paar Klamotten aus dem Caritasladen holt und sich am WC umzieht. 

Update.

RECHTS:links

Jährlich findet die Messe „Buch Wien“ statt, dabei kann man abseits der Ausstellungskojen mit den vielen Büchern verschiedene Erfahrungen sammeln. Bei einem längeren Aufenthalt ist zwischendurch ein WC Besuch notwendig und so steuert man in der Messehalle das öffentliche WC an.  Als Mann hat man die Auswahl zwischen zwei WC Eingangstüren, man steht vor der Entscheidung, nimmt man die rechte oder die linke Tür. Im ersten Augenblick ist man irritiert warum es zwei Türen gibt. Als Rechtshänder habe ich automatisch die rechte Tür, zur WC-Benützung gewählt. Aus Neugierde habe ich beim nächsten WC Besuch die linke Tür benützt und festgestellt, dass dieses WC nur ein Drittel der Pissoir und Kabinen vom rechten WC hatte und es war kaum frequentiert. Es hat seine Richtigkeit, dass Rechtshänder automatisch zu Waren und Türen greifen die rechts angeordnet sind und Linkshänder machen das Gegenteil. Deshalb hat man das „Rechte WC“  mit viel mehr WC Plätzen ausgestattet als das „Linke WC“.    

Bei solchen wesentlichen Unterschieden erhält der Diskurs, ob es vertretbar ist, dass man über Duino, Grado und Venedig noch ein Gedicht schreibt, eine andere Dimension. Diese Frage richtete ich an den Autor Erich Schirhuber und Verleger des Buches: „Zum Beispiel im Süden“ .

Der Autor antwortete mit einer Gegenfrage: „Kann man über die Liebe noch ein Gedicht schreiben, wo es schon so viele Liebesgedichte gibt“?   

Offene Frage.

 

ANT:wort

Kaum ein anderes Verkehrsmittel verbindet so viele Vorteile, ein großes Platzangebot und komfortable Sitze in den Waggons, wie die Eisenbahn. Die Bahnhöfe befinden sich zentral in der Stadt und es gibt Anschlüsse an die anderen öffentlichen Verkehrsmittel. In den Großstädten kann man vom Zug in die U-Bahn umsteigen und in Bahnhofsnähe befinden sich mehrere Hotels. Beim Kauf einer Fahrkarte ist es möglich eine Unterkunft mitzubuchen. Für die Zugreisenden gibt es keinen Megastau wie wir es vom Autoverkehr kennen. Als Lenker muss man beim Autofahren auf den Verkehr achten und nimmt die Landschaft, die Orte, durch die man fährt nur eingeschränkt wahr. Als Bahnfahrer kann man seine Aufmerksamkeit der Landschaft widmen. Ist die Sicht, wie  hier auf den Semmering, durch Nebel eingeschränkt, dann kann man sich der spätherbstlich gestimmten Innenwelt zuwenden.

Der Zug hat die Ebene des Wiener Beckens erreicht und fährt Richtung Wiener Neustadt. In den Ortschaften, rechts und links der Bahnstrecke, leben und arbeiten Menschen aus den unterschiedlichsten Motivationen. Durch die räumliche Trennung, ich im Zugabteil und die Anderen im Freien, stellt sich für mich die Frage: Warum und wozu nehmen wir uns die  Mühen im Alltag, der unterschiedlichsten Art, auf uns? Ich kenne für mich keine zufriedenstellende Antwort und werde sie wahrscheinlich auch nicht in einem der vielen  Bücher auf der Buchmesse in Wien  finden.

Antworten.