hunger:gefühl

„Kennt künstliche Intelligenz Hungergefühle“?

Eine tiefgreifende Veränderung in der Art wie Texte verfasst werden zeigt sich mit der Entwicklung von ChatGBT. Nach einer konkreten Aufforderung kann die Apps Gedichte, Aufsätze, Reportagen oder sogar Computerprogramme verfassen. Ihr „Wissen“ stammt von den Milliarden Webseiten, welche sie in Sekundenschnelle durchkämmt.  Wird es möglich sein, das Chatbot aus den bisherigen Buchveröffentlichungen des Büchner Preisträger Josef Winkler, unter seinem Namen, ein neues Buch verfasst? Wie lange dauert es noch bis die KI ein eigenes Bewusstsein mit Gefühlen wie Hass, Freude oder Unzufriedenheit entwickelt? 

Seitdem von der Eroberung der KI im literarischen und journalistischen Bereich die Rede ist, ist mein Hoffnungsschimmer das persönliche Erleben. Die heutige Begegnung mit dem Nachbar, meine Gefühlslage von heute Vormittag kann kein Chatbot wiedergegeben. Auch nicht, dass ich Lust auf das Mittagessen bekomme und dies die Fertigstellung dieses Textes beschleunigt. Die Meinung eines Zugnachbars zur KI, der mit der Materie vertraut ist:  Er spricht der KI das Wort Intelligenz ab, da aus seiner Sicht das Computer Programm nur das wiedergibt, was ihm zuvor ein Mensch einprogrammiert hat oder auf den Webseiten im Internet zu finden ist. Hungergefühle dürften der künstlichen Intelligenz fremd sein.

Ein Selbstversuch: „Kennt künstliche Intelligenz Hungergefühle“?

Chatbot:

„Nein, künstliche Intelligenz hat keine körperlichen Bedürfnisse und damit auch keine Hungergefühle. Künstliche Intelligenz ist lediglich eine Software oder ein Algorithmus, der darauf programmiert wurde, bestimmte Aufgaben zu erledigen. Sie verarbeitet Informationen auf der Grundlage von Programmiercode und Algorithmen und hat keine körperlichen Funktionen, die sie beeinflussen könnten. Menschliche Emotionen wie Hunger entstehen durch komplexe biologische Prozesse, die bei der Regulierung des Stoffwechsels und der Hormone eine Rolle spielen. Künstliche Intelligenz hat keine biologischen Funktionen und kann daher keine Hungergefühle oder andere körperliche Bedürfnisse empfinden.“  

spät:lese

Eine Spätlese des literarischen Lebens.

Wann ist die Zeit für die Spätlese, mit sechzig, siebzig oder achtzig Jahren? Der Mittagskogel ist in Wolken gehüllt, leichter Regen und die Rosen verwelken auf der Loggia, dazu das Wort Spätlese. Vordergründig denken manche bei dem Wort Spätlese an die Weinernte, dieser Tropfen sei besonders gehaltvoll. Nach meinem Dafürhalten und dies ist kein Erkennen eher ein Vertrauen, haben die gehaltvollen, die gut mundenden Weine ihren Preis. Hängt mein Urteil beim Wein davon ab, wieviel die Flasche gekostet hat?

Spätlese kann auch im literarischen Bereich seine Bedeutung haben, wenn ein Schriftsteller seinen achtzigsten Geburtstag überschritten hat. Die jetzigen Veröffentlichungen von Texten sind eine Spätlese seines literarischen Lebens. Engelberts Spätlese sind amüsante Beobachtungen, die sich im Zwischenmenschlichen, im Familiären, im Dorf abspielen. Klappt er nach einer öffentlichen Lesung sein Buch zu, denkt er an sein Nächstes. Sind die ersten Frosttage über das Land gezogen, dann gibt es die letzte Weinlese. Stirbt ein Jugendfreund, dann spürt man im vorgerückten Alter den Frost des Sensenmannes. Lebensfreude ist in diesen Tagen anders. Bei der Spätleselesung gab es ein Wiedersehen mit einem einstmals stattlichen und kräftigen Mann, von Berufung Steinbildhauer. Weniges hat mich an ihm an früher erinnert, die kräftigen Hände und der kraftstrotzende Gesichtsausdruck sind der Spätlese zum Opfer gefallen.

Ein Berufskollege aus Hermagor hat in seiner Spätlese festgestellt, dass sich seit Corona Zeiten der Buchhandel in einer frostigen Lage befindet. Die Lockdown Zeiten haben den Onlinebuchhändlern in die Hände gespielt. Die Missstimmung ist bei den Kunden, aber auch in der bürgerlichen Gesellschaft in Hermagor zu spüren. Auffallend das zwischenmenschliche Verhalten, welches sich seit der Corona Pandemie verändert hat, eine soziale Distanz ist geblieben. Händeschütteln ist die Ausnahme, diese Erfahrung habe ich auch bei meiner Reha nach der Hüftoperation gemacht. Zumeist waren die Patienten zurückhaltend den Anderen mit Handschlag zu begrüßen. Überrascht wurde ich bei der Abschlussuntersuchung als mir die behandelnde Ärztin am Ende der Aussprache die Hand entgegengestreckt hat, offen und bestimmt. Viel Unsicherheit herrscht beim katholischen Gottesdienst beim Segensspruch: „Der Friede sei mit euch“. Nach der Aufforderung, gebt einander ein Zeichen des Friedens, gemeint ist ein Händedruck, blickt man in ablehnende, fragende oder aufmunternde Gesichter. Manche Arme strecken sich einem entgegen und werden dann wieder fallen gelassen.

bahnhof:vorplatz II

Manche Bettler haben einen kleinen Hund an ihrer Seite.

Der Aufmerksamkeit wird von der Stadtverwaltung dadurch erhöht, dass dieser Bereich mit einem rot-weiß-roten Baustellenband eingezäunt wurde. Dies soll verhindern, dass sich die Sandler, darf man sie heute noch so nennen, sich über den ganzen Salzburger Bahnhofsvorplatz verteilen. Damit will ich kein Urteil über die Menschen fällen. Zwischen ihnen plärrt ein Radio und steht ein verlassenes Einkaufs Waggerl vom nahen Sparmarkt mit Unrat. Ein junger Bursche bringt gerade Nachschub, eine Palette Ottakringer Bierdosen und wird von den Kumpeln freudig begrüßt. Ist für sie ihr Schicksal, der Ausdruck ihr Leben wäre etwas zu hochgegriffen, nur mit dem täglichen Quantum an Bier erträglich. Alkohol zu jeder Tageszeit, ob um zehn Uhr Vormittag oder um vier Uhr Nachmittag.  Ein Spruch zur Ehrenrettung der Biertrinker lautet, kein Bier vor vier. Zwischen den biertrinkenden Männern hockt eine voluminöse Frau auf ihrer Gehhilfe und schaut teilnahmslos in die Sonne. Neben sich ein Einkaufswagerl, wo sie ihre Kleider und ihr Bettzeug verwahrt. Ein Handy gehört auch bei den Sandler zum Alltag. Was ihre Probleme sind, aber auch die Unterstützung die es für sie geben wird, zeigt sich beim Vorübergehen nicht.

Beim Ausgang vom Salzburger Bahnhof hocken Bettler auf dem Boden und bitten um eine Spende für ein Essen. Manche Bettler haben einen kleinen Hund an ihrer Seite. Der treuherzige Blick eines Hundes löst bei vielen Menschen mehr Emotionen aus, als der Anblick des abgemagerten Bettlers. Der Hundeblick erreicht das Herz des Tierfreundes schneller, als der vorgehaltene Hut oder der am Boden stehende leere Trinkbecher von MC Donald. Welche zufriedenstellende Lösung es für diese Randgruppe geben kann, stellt sich nicht nur am Salzburger Bahnhof. In christlichen Organisationen wird diesen Menschen, so sie ihre Zentren aufsuchen, Hilfe angeboten. Anderseits glaube ich, dass unter ihnen manche einen gewissen Stolz haben und eine Hilfe ohne Gegenleistung ablehnen würden. Möglicherweise könnte man mit einfachen Beschäftigungen eine Trendwende bei der Unterstandslosigkeit einleiten. Derzeit gibt es in den verschiedensten Berufen einen Mangel an Arbeitskräften. In einer Touristenstadt wie Salzburg werden sicher eine Fülle von kleinen Handgriffen benötigt. Für eine solche Initiative müsste etwas vom Stadtbudget locker gemacht werden. Bei diesem Tourismusaufkommen dürfte es dabei für die Stadtkassa zu keiner finanzielle Ausblutung kommen.  Damit könnte man den vielen Bahnreisenden und Bustouristen ein erstes irritierendes Bild ersparen. Anders gesehen ist für mich, den Wohlstandsmenschen der Anblick von Armut, Verwahrlosung und Alkoholismus zumutbar.

bahnhof:platz

An den Wertsachen, welche sie besitzen ist niemand mehr interessiert.

Wer öfters mit dem Zug unterwegs ist kennt das leidige Problem, dass sich zumeist am Bahnhofsvorplatz verschiedene Grätzel von Alkoholiker bilden. Menschen, die keine intakte Familie haben, keinen Arbeitsplatz und wohl oft keinen fixen Wohnplatz haben, bilden hier kleine Gruppen. Der Südtirolerplatz, wie der Bahnhofsvorplatz in Salzburg offizielle heißt, ist ein Treffpunkt für Schicksalsgenossen. Auf den öffentlichen Bänken sind ihre Habseligkeiten hinterlegt. An den Wertsachen, welche sie besitzen ist niemand mehr interessiert. Mit Beginn der wärmeren Jahreszeit sind diese gestrandeten Personen am Bahnhofsplatz vermehrt anzutreffen. Wer keine geregelte Arbeit oder Schlafstelle hat, erscheint nicht in einem Business Anzug. Befindet sich in der Nähe vom Bahnhof eine Straßenunterführung, dann ist es zumeist eine Selbstverständlichkeit, dass dort einige Nächtens schlafen. Auch tagsüber liegen dort ihre Decken oder von den Privilegierten ihr Schlafsack auf dem Trottoir. Neben dem Autoverkehr, aber im Trockenen, verbringen sie ihre Nachtruhe. Die Schicksale, welche sie hierher auf den Bahnhofsvorplatz verbannt haben, bleiben den meisten Bahnreisenden verborgen.

Ich stelle mir vor, dass für Pendler, welche täglich den Bahnhofsvorplatz überqueren, dieser Anblick eine Selbstverständlichkeit ist. Für mich, ein Genussreisender, ist es ein verstörender Anblick, komme ich aus dem Bahnhofsgebäude einer größeren Stadt wie Prag, Wien oder wie zuletzt in Salzburg und stoße auf Gruppen, in überwiegender Zahl sind es Männer, mit Bierdosen in der Hand. Es entsteht für mich der Eindruck, dass man sich von Seiten der Stadtgemeinde Salzburg mit dieser Situation arrangiert hat. Beim Standplatz für die Taxis sind an den Stahlträgern für die Überdachung Tafeln mit Alkoholverbot angebracht. Zwei Meter weiter stehen oder sitzen die Obdachlosen auf den Betonsockel, leere Bierdosen und sechser Trägern Stiegl Bier auf den Boden. Unklar ist für mich, sind diese Betonquader zum Sitzen gedacht oder handelt es sich dabei um eine Kunstinstallation?

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Ich war davon besessen die documenta in Kassel zu erleben.

Bevor ich mich der Aufforderung eine Hüfte zu implantieren gebeugt habe, folgte ich dem Ratschlag eines Orthopäden, unter Röntgenblick eine Infiltration in das linke Hüftgelenk. Der minimal schmerzhafte Zustand hat etwa ein dreiviertel Jahr angehalten. So war es mir möglich die documenta XV in Kassel zu besuchen. Ich war davon besessen nach zehn Jahren wieder die Kunstschau in Kassel zu erleben. Für diese documenta wurde ein neues Ausstellungskonzept angekündigt. Es war keine einzelne Person, welche das Festival kuratiert hat, die darüber verfügt hat, wer eingeladen und ausstellen darf. Es war das Künstlerkollektiv ruangrupa aus Jakarta in Indonesien, welches die documenta kuratiert hat. Es hat Kollektive aus aller Welt, vermehrt aus dem globalen Süden eingeladen und diese hatten die Möglichkeit weitere künstlerische Initiativen aus ihrem geografischen Umkreis einzuladen. Diesmal standen nicht Einzelkünstler im Scheinwerferlicht, sondern die Aufmerksamkeit verteilte sich auf viele Genossenschaftskünstler. Ein ganz neues Besuchererlebnis. Ich habe mich nicht an einzelnen Namen orientiert, sondern zu verstehen versucht, welchen sozialen Hintergrund und welches künstlerische Netzwerk hat das Kollektiv in ihrer Heimat? Etwas von diesen Eindrücken werden auszugsweise in eigenen Blogbleiträgen zur Sprache kommen. Manche Tage gestalteten sich auf der documenta wegen den Abnützungen an der Hüfte etwas anstrengend und schmerzhaft, aber die sinnlichen und künstlerischen Eindrücke glichen dies bei weitem aus.

Die Chance, dass man sich wieder in das „Mensch ärgere dich nicht“ Spiel einbringt, ist die Freiheit mehrmals zu würfeln. Von dieser Freiheit machte ich bei der neuerlichen Suche nach einer Klinik Gebrauch. Warum in die Ferne schweifen, das Gute liegt so nah. In der Draustadt werden im Bezirkskrankenhaus in einer Dependance Hüftgelenk Endprothesen Operationen durchgeführt. Die Operation erfolgt vom Ärzteteam der Orthopädie, wo ich als Patient ein Urgestein bin. Ich war bereits Patient von Dr. Luckeschitz.  Die Frage an Bekannte war, hatte jemand schon Erfahrungen mit dieser Klinik?

Aus dem Tageheft…