Über schlagloch

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht mehrmals die Woche eine kleine Studie zu verfassen und teilt dies per Weblog „schlagloch“ einer stetig wachsenden Internetgemeinde mit. Einzelne Leser treten auf der Internetplattform mit ihm auch in eine Diskussion über das Geschriebene ein. Vom Deutschen Literaturarchiv Marbach werden ausgewählte Online-Publikationen, so auch das Blog „schlagloch“ auf der Plattform Literatur-im-Netz langzeitarchiviert. Einige „Schlaglöcher„ hat er materialisiert und zu Büchern gemacht: Zeitenwandel (2009); Die Beobachtungen (2011); Bruchstellen (2015).

REISE:blick

In der Hotelhalle versammeln sich die Leute einer Reisegesellschaft. Jetzt bekommt die Reisegruppe ihre persönlichen Gesichter. Manche haben den Reiseblick, für sie gibt es nichts Neues. Sie bewegen sich im Hotel so sicher wie Zuhause. Der große Teil sind Seniorinnen und Senioren. In der Gruppe fühlen sie sich wohl, es gibt immer einen Ansprechpartner und viel Abwechslung. Exotische Länder erreicht man mit dem Flugzeug und der  Bus vor Ort bringt einen zu den Sehenswürdigkeiten. Für angenehme Temperaturen sorgt die Klimaanlage im Bus und im Hotel. Die Kleidung ist bequem, in schrillen Farben und bunt wie die Jugend.

Die Abfahrt mit dem Bus ist um neun Uhr, eine Tour entlang der Küste. Jetzt ist es halb neun und der Bus steht noch nicht vor dem Hotel. Der Bus könnte etwas früher kommen, seit halb sechs Uhr ist man wach und um sieben Uhr war man beim Frühstück. Das Frühstücksbüfett war in einem anderen Hotel vor einem Monat üppiger. An einige Ausflüge kann man sich nicht mehr erinnern. Hat man diese Kirche auf dieser Reise gesehen, oder war es auf der Reise vor einem halbem Jahr. Vieles wiederholt sich. 

Dazwischen trifft man die Leute mit dem verträumten Blick, die von ihrer Reise, welche fünf Jahre zurückliegt, schwärmen. Sie erinnern sich an ihre erste Reise vor dreißig Jahren. Für sie ist das Reisen etwas besonderes, nicht Alltägliches. Manche erfüllen sich einen Traum und machen immer an denselben Orten Urlaub. Sie dringen immer tiefer in die Seele der vertrauten Landschaft ein. Sie horchen auf den Klang der  Landschaft, sie passen ihren Lebensklang dem  Klang der Landschaft  an. Sie suchen kein  mechanisches Wissen über den Ort, kein geschichtliches Wissen, um damit die Einheimischen zu belehren. Sie behalten ihre Empfindungen für sich, sie suchen einen Ort für die Erholung ihrer Seele und ihres Körper. 

Im Reisefieber.  

BLICK:muster

Ein Sprichwort heißt, „Wie man sich bettet, so liegt man”. Mein Sprichwort heißt, „Wie man sich setzt, so sieht man”. Das man etwas sehen und beobachten kann, hängt davon ab, wo man sich hinsetzt. Die Sitzposition entscheidet. Dies gilt für viele Alltagssituationen, beim Sitzen in einem Park, am Hauptplatz, in einer Fußgeherzone,  im Schwimmbad, in einem Cafe oder im Speisesaal. In einem Hotel kann man beim Frühstück viele Leute beobachten. Die beliebtesten Plätze sind die, mit Blick in die Natur, auf einen See, auf einen Berg oder eine Burg. Andere bevorzugen den Blick auf die Menschen, welche  das Frühstück vom Büfett holen. Hier lassen sich die verschiedenen Menschen mit ihren unterschiedlichen Essgewohnheiten beobachten. Die einen bedienen sich bei Wurst und Käse, andere mögen es sauer und nehmen  Essiggurken, Tomaten und Zwiebel.  Andere lieben es  klassisch, mit heißen Würstchen, gegrilltem Speck und Eierspeise. Mehr Zurückhaltung üben die Frauen, sie greifen zu verschiedenen Getreidesorten, Früchten und Kompott oder zu Butter, Marmelade und Honig. Jugendliche sind oft selbstsicherer am Büfett, als Erwachsene. Die meisten mögen es üppig.  Es gibt die unterschiedlichen Menschentypen mit verschiedenen Umgangsformen am Frühstücksbüfett.  Da sind die schnell Entschlossenen, die genau  wissen was sie wollen.  Die Zauderer,  die von einer Anrichte zur nächsten eilen,  die einmal von Diesem etwas nehmen, dann etwas von der anderen Seite. Die Fröhlichen, die einfach von jeder Speise etwas nehmen und mit einem vollen Teller zu ihrem Tisch zurückkehren. Manche sehen sich genau um und kosten vor, um dann doch etwas anderes auszusuchen. Auch die äußeren Erscheinungsformen sind grundverschieden.  Männer mit Bauchansatz, mit und ohne Bart, zarte Frauen  und untersetzte junge Frauen mit sanftem Gesicht. Mollige Senioren und Seniorinnen, spindeldürre Kinder, sportliche Endvierziger,  antriebslose Spätberufene mit dem Durchhalteblick. 

Der böse Blick.    

HARN:drang

Es wird darüber gelächelt, wenn Menschen erzählen, dass sie eine Zeitung, eine Illustrierte oder ein Buch auf die Toilette mitnehmen. Hier können sie ungestört lesen,  abgeschieden vom Treiben des Hauses, abgekoppelt vom Lärm des Tages. Schöpferische Menschen sagen, dass sie hier kreativ denken können. Oftmals findet man auf dem stillen Örtchen einen Block mit Bleistift, wo man die Blitzgedanken niederschreiben kann. In den sechziger und siebziger Jahren wurden alte Zeitungen als Kloopapier verwendet. Da passierte es, dass man in einer Zeitung einen interessanten Artikel entdeckt hat und der Aufenthalt am Klo dauerte länger. Heute ist das Rauchen an vielen Orten verboten, so wird am Klo schnell eine Zigarette geraucht. In vielen Betrieben wird verlangt, dass für das Klogehen die Zeitkarte abgestempelt werden muss. Als Akkordarbeiter in einer Schuhfabrik, am Montageband, musste ich dem Meister Bescheid geben, wenn ich das  WC aufsuchen wollte. Er übernahm für kurze Zeit meine Arbeit am Montageband. Es durfte keine Unterbrechung bei der Montage geben.   

Bei einem Wochenendaufenthalt in einem frisch renovierten Hotel in Kroatien wird man damit überrascht, dass sich ein Internetanschluss im Bad, neben dem WC befindet. Es entspricht dem Trend, dass man nicht mehr eine Zeitung am WC liest, sondern den Laptop auf das WC mitnimmt. Das Internet prägt auch den Urlaubsaufenthalt, dies kann man in der Hotelhalle bei den frei zugänglichen Internetplätzen beobachten. Nach der Anmeldung bei der Rezeption führt bei vielen der erste Weg zum PC -Terminal. Dort kommt es zu Wartezeiten, sodass die Urlauber in der Hotelhalle auf- und abgehen, als müssten sie dringend auf das WC gehen, aber es ist besetzt. 

Harndrang im Internet.  

TELFON:zelle

Gegenstände und Einrichtungen die für uns heute selbstverständlich sind und den Alltag bestimmen, waren vor einigen Jahrzehnten nicht selbstverständlich. Nicht jedes Haus oder Wohnung hatte einen Telefonanschluss. Es war ein Fortschritt, dass von der Post auch in kleineren Ortschaften so genannte Telefonzellen errichtet wurden. Von diesen öffentlichen Telefonzellen aus konnte man am Wochenende mit Bekannten Telefongespräche führen und war nicht an die Öffnungszeiten der Postämter gebunden. Es war möglich im Notfall einen Arzt, Polizei, Rettung, Feuerwehr oder Tierarzt  zu verständigen. Die Telefonzelle bildete einen Treffpunkt für die Jugend, sie ersetzte oft einen Bildstock oder Wegkreuz. Für die Ortschaft bedeute eine Telefonzelle den Einzug der modernen Zeit. Am Samstagabend ist  es zu Wartezeiten bei der Telefonzelle gekommen, weil manche lange mit ihrer Freundin oder ihrem Freund in der Stadt telefoniert haben. Man hielt die Tür der Telefonzelle geschlossen, sodass niemand die Möglichkeit hatte mitzuhören. In Möselstein wurde von den Flüchtlingen aus Bosnien und Kroatien,  welche aus ihrer Heimat wegen dem Jugoslawienkrieg geflüchtet sind, viel von den öffentlichen Telefonzellen aus telefoniert. 

Heute sind in vielen Orten die Telefonzellen verschwunden, sie wurden abmontiert, weil sie nicht mehr benützt werden. Das Handy hat sich überall verbreitet. Es gibt keine privaten Gespräche mehr. Auf öffentlichen Plätzen, in Cafes oder Schwimmbädern wird für jeden hörbar telefoniert. Es gibt keine Tabuzonen mehr. 

Nicht privat.   

MUND:art

SCHREIBN 

Nit olle sehgn in

da Nocht de helln Stern,

monche firchtn sich

vur da Dunklheit,

vur da Zukunft,

vur de schlechtn Tram.

Wonns um mi gonz still weard

fong i on zan Schreibn,

vom Olbtram zua an

neichn Gedicht…  

 

RECLAME 

Wer heit om Lond

in an Urt einefoahrt,

der siaght zerst dos

haushoche Reclameschüld

vom Supamorkt, glei ba

da Urtseinfoahrt, erst

späta den Kirchturm.

Im Urtszentrum draht sich

ka Wettahohne om Doch,

auf an Reclamemost draht

sich a Plastiktrogtoschn… 

 

MENSCH 

Es weard oft gfrogt,

woas is a Mensch,

wo kimmta her,

wo geahta hin.

Woas gschiacht mit

seine Gedonkn,

wonna  stirbt.

Vüle Frogn, de mon

goar nit olle beontwortn

konn, weil miar schterbn

vül zua friah…