BLÄTTER:rauschen

Zu den Annehmlichkeiten eines Kuraufenthaltes gehört die Zeit zwischen den Kuranwendungen. Die Therapien sind nicht immer angenehm, in vielen Fällen sind sie anstrengend. Die Zeit zwischen den Anwendungen kann man sich mit dem Lesen von Tageszeitungen vertreiben. Die Kurorte im Gasteinertal verfügen über einen Lesesaal, wo eine Reihe von deutschsprachigen Tageszeitungen angeboten werden. Hier liegen Schundzeitungen und Schwundzeitungen nebeneinander, es ist eine geistige Dialysestation. Im Lesesaal rauscht es, wie das Laub im Herbst. Dazu kommt das Rauschen der Entlüftung, gleich der am WC. Manche verbinden das Lesen einer Tageszeitung mit dem Trinken von einer Tasse Kaffee. Der Lesesaal verhält sich zu einem Café wie ein Klinikspeisesaal zu einem Gourmetrestaurant. Vor dem Fenster spielt eine hochgewachsene Dame auf einer Flöte. In der Zeitung habe ich vom digitalen Buch gelesen, vom Rascheln beim Seiten umblättern zum geräuschlosen digitalen Umblättern. Oft finden sich in verschiedenen Zeitungen dieselben Nachrichten, wessen Meinung zählt? Plötzlich ist man eingenickt.

 

Vom Lesesaal zum Schlafsaal.

 

SPEK:takel

Die Sommersaison fördert in den Bezirksstädten, in den Gemeinden, die Event Kultur. Waren es eine Zeit lang Brauchtumsveranstaltungen, Vorführungen der Gesangvereine und der Blaskapellen, so ist heute vieles moderner. Dazu gekommen sind Gauklerfest, Autocorso, Jazztage und Theateraufführungen. Am beliebtesten sind die kulinarischen Feste, es gibt sie in jeder Region in Kärnten. Die Aufzählung erfolgt ansatzweise: Es gibt das Backhendlfest, das Gulaschfest, das Polentafest, das Rindfleischfest und das Spektakel, das Speckfest. Hier können die Bauern ihren Speck bekannt machen und direkt verkaufen.

Diesem Fest schließen sich die Gastronomie und die ortsansässigen Händler an, es gibt ein richtiges Spektakel. Abgerundet wird das Fest durch ein Kinderprogramm und Livemusik. Am meisten Zuspruch finden die Aussteller, wo es etwas zum Trinken und Essen gibt. Das hält Leib und Seele zusammen und fördert die Kontakte unter den Besuchern. Die Aktivitäten der Händler sind nur Beiwerk. Wer interessiert sich von den Spektakelbesuchern für Acrylbilder, Lesebrillen, Badehosen oder Bücher?

Diesem Spektakel kann sich der örtliche Schriftsteller nicht entziehen und er entschließt sich zu einem Besuch, dabei trifft er den ortsansässigen Buchhändler. Vor einigen Tagen konnte der Schriftsteller den Buchhändler dazu bewegen, dass er einige seiner Bücher auf Lager legt. Das Misstrauen des ortsansässigen Buchhändlers gegenüber dem örtlichen Schriftsteller ist biologisch gewachsen. Der Schriftsteller hat wenig zur Verklärung und Behübschung der engeren Heimat beigetragen, er hat vielmehr Heimatliches infrage gestellt. Heimeliges in Unheimliches umgeschrieben. Im Schaufenster der Buchhandlung findet man prachtvolle Bildbände, die die Schönheit des Tales preisen und würdigen. Solche Bücher sind eine klare kaufmännische Angelegenheit, diese lassen sich gut verkaufen. Schwieriger ist es Bücher zu verkaufen, die an der Schönheit und Intaktheit des Tales zweifeln.

Ohne Wenn und Aber. 

 

IM:rausch II

Wer bei dem Wort Rausch an den Alkoholmissbrauch denkt, greift bei dem Wort zu kurz. Es gibt noch andere Arten von Rauschzuständen, wie Drogenrausch, Höhenrausch, Geschwindigkeitsrausch, Kaufrausch oder Erfolgsrausch. Die Frage ist, was einen Rausch auslöst, ist es ein Defizit in einem bestimmten Lebensbereich? Ein Mangel an Selbstwertgefühl oder eine Ersatzhandlung für einen bestimmten Verzicht. Es gibt niemanden, der ohne Rausch auskommt. Verzicht und Stabilität sind auch eine Form des Rausches, ein Rausch der Normalität. Wer sich der Frömmigkeit und der Nächstenliebe hingibt, lebt in einem Rauschzustand der Hilfsbereitschaft.

 

Die deutsche Autoindustrie kann pro Jahr hundert Millionen Autos produzieren. Die voraussichtlichen Verkaufszahlen pro Jahr liegen bei fünfzig Millionen Autos. Wir  leben im Rausch der Produktionssteigerung, im Wachstumsrausch, dieser Rausch ist kollektiv, ist legal.

 

Die Autofalle.

IM:rausch

Sich einen “Rausch antrinken”, wie der Alkoholmissbrauch im Volksmund genannt wird, war früher auf dem Land etwas Normales und hat auch vieles entschuldigt. Oft ist es passiert, dass es im Rausch unter den Gasthausbesuchern zu einem Streit oder einer Rauferei gekommen ist. Es gab kaum eine Brauchtumsveranstaltung, sei es Kirchtag, Feuerwehrfest oder Faschingsball, wo es nicht eine Rauferei gegeben hat. Am nächsten Tag waren sich die Streitparteien  einig, es war eine besoffene Geschichte, der man nicht viel Bedeutung beigemessen hat. Von dem Einen und dem Anderen hat es geheißen, dass er, wenn er im Rausch heimkommt, seine Frau und seine Kinder schlägt. Auch dies hat man zu den entschuldbaren Vorkommnissen gezählt. Es hat genügt, wenn man es in der Kirche gebeichtet hat und der Pfarrer  einem in das Gewissen redete. 

Heute ist man vorsichtiger und überlegt sich, was man im Rausch macht. Bei einer sogenannten Wirtshausrauferei ist man schnell mit dem Paragrafen Körperverletzung und einer Schmerzens-geldforderung konfrontiert. Bei der Misshandlung von Frau oder Kind kommt es zu einem Verweis aus der Wohnung. Den Pfarrer, der einem in das Gewissen redet, muss man suchen.  In der Kirche diskutiert man über komplexe Glaubens- und Sozialfragen. Im Rausch wird der Blickwinkel enger und beim Überschreiten der Geleise bleibt man dort liegen. 

Böses Erwachen.

STÜTZ:punkt

Es macht beim Sport, beim Radfahren, Spass, wenn man sich ein Ziel setzt. Man soll sich nicht überfordern, aber  ein Ziel, welches über der Bequemlichkeit liegt, über der menschlichen Trägheit. Es soll sich eine Zufriedenheit einstellen, wenn man das Ziel erreicht hat und keine Überforderung. Dieses Ziel kann zu einem Stützpunkt, zu einer Orientierung für das Leben werden. Ein solches Ziel ist für mich beim Radfahren die St.Georgs Kirche in Faak am Faakersee. Bei der Hinfahrt muss ich einige Steigungen überwinden, freue mich aber während der Mühen auf die Rückfahrt, wo ich das leicht abfallende Gelände genießen werde. Der Platz vor der Kirche wird von einer Linde geprägt, mit einer Bank um den mächtigen Stamm. Von hier gibt es eine Rundsicht auf die Karawanken, den Dobratsch und das Finkensteiner Moor. An der Außenwand der Kirche ist ein Fresko mit dem „ Hl. Christophorus “  zum Verständnis des Lebens, vom Tragen und vom Getragen werden.

 

Ein weiterer Rastpunkt ist der Brunnen in der Oberschütt. Hier besteht die Möglichkeit die Gedanken, den Unrat der Seele, andere würden sagen, das Böse, auszumisten. Es ist wie das Entrümpeln der Wohnung von dem Müll des Überflusses, der sich in den Nischen eingenistet hat. Man fühlt sich befreit, wenn überschaubare Verhältnisse herrschen. Ist es um einen lichter, wird es auch im Inneren leichter. So geschehen im Innenhof, wo ich die Bäume und die Sträucher ausgelichtet habe. Es war vieles zu üppig, zu viel grün, die Seele konnte nicht mehr frei fliegen. Jetzt sieht man wieder die Kieselsteine, die Schmetterlinge und die Weite, für einen Rundumflug der Seele.

 

Durchforsten.

 

 

Kommentar von Gerhard :
Schöner Artikel !