Über schlagloch

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht mehrmals die Woche eine kleine Studie zu verfassen und teilt dies per Weblog „schlagloch“ einer stetig wachsenden Internetgemeinde mit. Einzelne Leser treten auf der Internetplattform mit ihm auch in eine Diskussion über das Geschriebene ein. Vom Deutschen Literaturarchiv Marbach werden ausgewählte Online-Publikationen, so auch das Blog „schlagloch“ auf der Plattform Literatur-im-Netz langzeitarchiviert. Einige „Schlaglöcher„ hat er materialisiert und zu Büchern gemacht: Zeitenwandel (2009); Die Beobachtungen (2011); Bruchstellen (2015).

FINANZ:flut

Täglich drohen wir in einer Flut von Prospekten, die Preisnachlässe von 50%  bis zu 70 % versprechen, zu ersticken. Trotzdem merke ich an  alltäglichen Dingen, bei Gesundheitsvorsorge und Körperpflege, dass die Preise steigen. Eine der Dienstleistungen ist der Eintritt in das Thermalbad und der Haarschnitt. Ich will, ich kann, auf diese Dienstleistungen nicht verzichten. Ähnlich verhält es sich bei den Heizkosten, wer will in einer kalten Wohnung leben? Bei den Benzinpreisen kann ich die eine oder andere Fahrt durch einen Fußweg oder eine Radfahrt ersetzen.

 

Neue Preise gelten für die Rückenmassage. Bei der Massage ist es zu einem Gespräch über die Wirtschaftskrise gekommen, wie sich diese auf den Besucherstrom auswirkt. Die Krankenkassen bewilligen nicht mehr so viele Massagen wie vor Jahren, sie sparen bei der Anzahl der Verschreibungen. Die Masseurin merkt die Finanzkrise beim Trinkgeld, die Leute geben seltener und dann weniger Trinkgeld. Waren es vor einem Jahr zwei Euro bei einer Behandlung, so bekommt sie jetzt einen Euro. Waren es nach einer Serie von Behandlungen zehn Euro, so sind es jetzt fünf Euro.

 

Halbwertzeit.    

BE:schreiben

Seit Jahren verfasse ich wöchentlich mehrere Beiträge.  Ein Vorteil vom Schreiben ist, dass man sich von der äußeren Welt abkapseln kann. Ich entfliehe der alltäglichen Geräuschkulisse, Radio, Fernsehen, Straßenverkehr, auch der Unterhaltung mit anderen Menschen. Es soll ganz still sein, ich beginne einen Dialog mit meinem Gehirn. In der Stille kommt das Gehirn zu Wort, ich horche meinem Gehirn zu. Es wird mit keinen neuen Informationen gefüttert. Beim Schreiben kann die Gedanken ordnen, weiterentwickeln. Beim Gespräch besteht die Gefahr, dass ich mich wiederhole.

 

Zuerst kommt die momentane Stimmung  im Geschriebenen zum Ausdruck, bis es die Zeit schafft, die Stimmung zu verlassen, zur eigenen Stimmung auf Distanz zu gehen. Es ist eine Zeit des Glücks, unabhängig vom Alltag. Von Dimitri Schostakowitsch wird berichtet, dass er seine schönste Musik, einen Teil seiner Sinfonien, in seinen bedrohlichsten Lebenszeiten geschrieben hat. Er wurde von Stalin gedemütigt, verhetzt, vom KGB verfolgt und musste um sein Leben bangen. Er hat weiterkomponiert, die Musik hat ihn gestärkt.

 

Schreiben.     

FINANZ:chaos

Ich kann mir vorstellen, dass wirtschaftliche Abläufe den Abläufen der Physik gleichen. Als Mensch nehmen wir nur das Grobstoffliche wahr, nicht das Feinstoffliche. Herrscht in der Finanzwelt, wo ich annehme, dass mit Mathematik auf hohem Niveau gearbeitet wird, in Wirklichkeit Chaos? Das dort, wie in der Physik für uns alles statisch erscheint, aber in Wirklichkeit Chaos und Zufall herrschen, welches sich so schnell und so oft wiederholt, dass es für uns berechenbar erscheint. Es könnte wie in der Chaostheorie sein, die der Mathematiker Poincare erstellt hat: Setzt ein Schmetterlingsschwarm in Bordano zum Flug an, kann in Tasmanien ein Sturm losbrechen. So könnte es bei den Finanzmärkten sein, dass wenn ein Gruppenwohnbau seine Schulden nicht bezahlt, die Börsenkurse zum Einsturz kommen.

 

Dass, das Chaos der Urstoff für unser Universum ist, erzählt auch die Bibel. Zu Beginn der Schöpfung teilt Gott das Chaos, der Tag wird von der Nacht getrennt, das Wasser von den Landmassen. Gott der erste Chaostheoretiker.

 

Chaos pur. 

OFFENE:fragen

Seit 12.01.09 gibt es eine Adresse für gute BLOGTEXTE, eine Blogbibliothek. Dafür habe ich Texte eingereicht, „Sissi”  ist online und zu meinem anderen Text gibt es einen Kommentar vom Blogscout. Diesen Kommentar habe ich zur Diskussion grestellt, es gibt viele Kommentare und vielleicht wollen SIE, liebe(r) LeserIn die Diskussion weiterführen, am Text „Lebenszeit”, ganz offen…  

LEBENS:zeit

Ein ungelöstes Rätsel ist, von wem und nach welchen Kriterien unsere Lebenszeit ausgewählt wird. Niemand kann zu seiner oder der Lebenszeit seiner Nächsten etwas Bestimmtes vorhersagen. Noch weniger weiß man, wie viel Freude und Schmerz man in seiner Lebenszeit erleben wird, wer die Lebenszeiträuber sein werden. Manchen macht die Arbeit, der Beruf, Spass, andere empfinden die Arbeitszeit als einen Lebenszeiträuber. Sie fühlen sich bei ihrem Hobby oder in ihrer Freizeit wohl. Solche, die eine Berufung in sich spüren, warten darauf, bis sie ihre Berufung ausüben können. Manche vertrödeln ihre Lebenszeit. Bevor man entdeckt, dass man mit der Lebenszeit sparsam umgehen soll, ist es im Leben sehr spät. Man fragt sich,  weiterlesen… 

Lieber Franz
Du reihst hier Aussagen aneinander. Doch die Merksätze sind nicht Bausteine noch Perlen. Es sind Beobachtungen, bei denen sich der Leser jederzeit fragen kann: wirklich? Und sich ausklinkt, sobald er Widerstand fühlt. Das wird durch das Schreiben in der “Man-Form” noch verstärkt. Wie wäre es mehr mit eigenen Beobachtungen, von denen ich sicher bin, dass sie wirklich auch etwas mit Dir zu tun haben, der Ich-Form? Und: Habe ich nur dann etwas mit meiner Pension angefangen, wenn ich das große Lebenswerk erfülle? Liegt nicht vielleicht ein Sinn, eine Erfüllung darin, meinem Körper die Ruhe zu gönnen, das Ausschlafen, aber diese Dinge bewusst zu tun? Hey, DU interessierst. Das “man” stört mich hier wirklich sehr.
Liebe Grüsse K. 

Lieber E.

Im Web gibt es seit kurzer Zeit eine “Blogbibliothek“, wo ausgewählte Blogbeiträge veröffentlicht werden. Ich habe von mir zwei Beiträge eingereicht und dazu Stellungnahmen bekommen. Wie siehst  Du meine Blogbeiträge, glaubst Du, dass ich zu wenig in der “Ichform” schreibe. Ich habe absichtlich “Man” gewählt, zwecks Distanz. Die “Ichform” immer wieder verschoben.  Nach W. Benjamin: Erklärungen sind unfruchtbar. Der Leser soll sich selbst seinen Reim aus den Beschreibungen machen…Was meinst Du?  Liebe Grüsse Franz. 

Lieber Franz,

ich habe schon einmal einen Man-Roman geschrieben und einen Minus- Rekord im Verkauf(Interesse) erzielt. Mein Ansatz war allerdings nicht mit deinem identisch. Ich habe von einem Ich erzählt, das konstatiert, dass es man-förmig, also als Abklatsch von Meinungen, Üblichkeiten ,Artigkeiten etcetera existiert. De facto gibt es aber nur ichförmiges, also in konkreten Situationen steckendes Leben, das aus seinen jeweiligen Standpunkten heraus schaut, denkt und urteilt. So denke ich als Literat. Deine Betrachtungen sind Versuche, von ihrem lebenden Grund unabhängig zu werden und gesicherten Erkenntnisgrund zu erreichen. Man spürt, dein Ich sitzt in einem geheizten Raum, blickt verwundert hinaus und hält getreu fest, was sich draußen tut. Deine Kritiker am man-Stil meinen vermutlich, du sollst deine Situation mit in Rechnung stellen, sollst hinaus aus der Unfraglichkeit, sollst nicht nur von den Verrücktheiten reden ,sondern dich als involviert mit schildern. Ich weiß, das ist nicht jedermanns Sache. Aber die Lebendigkeit scheint mir nun einmal ein höherer Wert als die davon abstrahierten Erkenntnisse.  Mit freundlichen Grüßen  E. 

Lieber Franz!
Ich finde es sehr mutig, diese Diskussion zuzulassen; es erscheint mir sehr wertvoll zu sein, zu hinterfragen, welchen Zugang man wählen soll und warum man als Autor schreibt wie man schreibt. Jede Position, ob “man” oder “ich”, kann etwas für sich haben. Ich persönlich schätze Deine “man”-Position deswegen, weil ich als Lektorin ständig ich-Lastiges lese und denke, dass viele Autoren damit trotzdem nichts Neues zutage bringen. Ich denke,  auch eine objektivierende Sicht kann lebendig sein, wenn man sich zurücknimmt und wirklich etwas außerhalb von sich selbst “sieht”, das der Beschreibung würdig erscheint. Es ist ein grundsätzlicher Zugang, den es u.a. bei Francis Ponge gibt, der die Objekte (die Natur) beschreiben will und sich als Autor dafür strikt zurücknimmt. Liebe Grüße B. 

Lieber Franz!

Mit dem MAN möchtest du wohl aus der bloßen Subjektivität heraustreten und etwas Allgemeingültiges formulieren, das sich nicht nur auf dich selbst und dein Dafürhalten bezieht.
Die Gültigkeit allgemeiner Aussagen muss aber erst begründet werden. “Bevor man entdeckt” stellt sich als eine Lebenserfahrung oder Lebensweisheit dar, die auch für andere gilt. Würde es heißen: “Als ich entdeckte…”, wäre es eine bloß subjektive Aussage, die zwar unangreifbar, aber u.U. auch uninteressant und irrelevant sein kann.
Diese MAN-Aussagen können natürlich auch als belehrend und moralisierend empfunden werden, meist dann, wenn sie nicht mit den eigenen Erfahrungen und Entscheidungen übereinstimmen. Bei Übereinstimmung können sie dagegen als Weisheit und Offenbarung erlebt werden, wie einige deiner Leser angemerkt haben. W.

Was meinst DU, liebe(r) LeserIn ?