20:prozent

Ein Büroartikelhersteller macht damit Reklame, dass man durch die neue Hebelmechanik bei den Ordnern, beim Ablegen der Papiere um zwanzig Prozent schneller ist. Eine aufschlussreiche Studie wäre, wie viel Zeit ein durchschnittlicher Mensch mit dem Einordnen von Schriftstücken verbringt. Für Leute, welche in der in der Verwaltung, im Büro, arbeiten, wird dies von Interesse sein. Ich frage mich, welchen Vorteil wir aus dieser 20-prozentigen Zeitersparnis haben. Ist dies schon ein menschlicher Fortschritt, wenn etwas schneller geht. Die Beschleunigung im Herstellungsbereich hat einerseits zu einer Überproduktion geführt, anderseits zu einer Verbilligung der Waren. Die Beschleunigung am Arbeitsplatz, im Straßenverkehr oder in der Freizeit, hat auch dazu geführt, dass viele überfordert, nervös und depressiv sind. Die stärkste Beschleunigung haben wir in der Fortbewegung. Hat man früher Besorgungen in der Stadt, die zehn Kilometer weit entfernt war, zu Fuß erledigt, so geschieht dies heute mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Auto. Haben wir jetzt deshalb mehr Zeit? Eher weniger, weil wir uns neue Aufgaben aufgeladen haben. Genauso wenig trägt die so gewonnene Zeit zu unserem Glück bei. Die meisten beklagen sich darüber, dass sie zu wenig Zeit haben.

 

Mit Antritt der Pension schmilzt die Zeit wie ein Eiswürfel auf der Hand dahin. Der Verlust der Zeit schmerzt genauso, wie sich der Eiswürfel kalt anfühlt.

 

Entschleunigung.

 

ATEM:holen

Unsere Gesellschaft wird immer spezialisierter, sie stellt immer höhere Ansprüche, besonders im Gesundheitsbereich. Wir kommen mit neuen Beschwerden zum Arzt, dies verlangt neue Behandlungsmethoden. Im psychosomatischen Bereich probiert man verschiedene alte Erfahrungen aus, um zu helfen. Eine dieser Aktivitäten ist das Atmen. Seit es Menschen gibt das Natürlichste der Welt. Ohne Atem kein Leben, so wird dem Atem göttliche Kraft zugesprochen. In der Meditation und im Yoga gibt es eigene Atemübungen. 

Wir kommen heute schnell außer Atem, vergessen zu Atmen oder haben einen zu kurzem Atem. Viele wünschen sich mehr Platz zum Atmen. Der Tagesplan ist so voll, dass man nicht zum Atmen kommt. Auch in der  Freizeit oder im Urlaub plant man viel zu viele Aktivitäten und man kommt nicht zum Durchatmen. Vieles wird im Laufe eines Lebens eingeatmet, Staub, Industrie- und Autoabgase, Zigarettenrauch oder den Zorn des Nächsten. Es ist nicht verwunderlich, dass sich die Lunge zur Wehr setzt, uns zu schaffen macht. Die größeren Schwierigkeiten haben wir beim Ausatmen. Die Ausatmung ist flach und ungenügend, es bleiben viele Schadstoffe in der Lunge und die Lunge versumpft. Um die Lunge trockenzulegen braucht es einen Atemtherapeuten. 

Außer Atem.

SIEBEN:undsiebzig

Es besteht die Gefahr, dass man die heutigen Ereignisse aus der Sicht, wie man sie selbst vor dreißig Jahren erlebt hat, beurteilt. Optimismus wird als ein Vorrecht der Jugend gesehen. Mit zunehmendem Alter kann man nicht mit so viel Schwung und Energie an die Aufgaben herangehen, als wie vor Jahren. Die wenigsten sind körperlich so fit, dass sie sagen können, sie sind mit siebzig besser in Form als mit vierzig. Gerade bei kleinen Handels- und Gewerbebetrieben trifft es zu, dass die InhaberInn über das Pensionsalter hinaus im Betrieb sind. Viele verschieben ihren Pensionsantritt um Jahre, der Betrieb ist ihr zweites Zuhause, ihr Lebenswerk. Man fühlt sich vital genug, um weiterzuarbeiten. Dabei übersieht man, dass es mit den Jahren ab sechzig, fünfundsechzig, oder siebzig immer beschwerlicher wird, im Arbeitsalltag Schritt zu halten. Nach sechzig melden sich manchmal Krankheiten, die man bis dahin gut unter Kontrolle hatte oder kaum gespürt hat. Oft ist auch niemand da, der das Lebenswerk weiter führen will oder kann.

 

Ich habe einen Gutschein für einen Friseurbesuch gekauft, der bis zum Jahre 2015 gültig ist. Die Friseurmeisterin wird dann siebenundsiebzig Jahre alt sein. Ob sie dann noch Haarschneiden wird? Beim Besuch einer Kollegin wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass die Chefin nicht hier sei, aber doch da ist. Im Büro erlebte ich, dass der körperliche Zustand der Kollegin schlecht war. Ihr Gesicht war eingefallen, bleich, sie hustete und konnte kaum stehen. Die Kollegin ist über siebzig Jahre alt. Bei diesen Beschwerden hätte ich mich geweigert, in den Betrieb zu gehen. Ich hätte mir zwei bis drei Tage Bettruhe gegönnt.

 

Der Betrieb geht vor.

UR:schock

In Ferndorf wird das Heraklith-Werk, ein Vorläufer aller Dämmstofferzeuger zum Teil stillgelegt, obwohl bei den hohen Energiepreisen die Wärmedämmung von Fassaden, Dachböden, einen Boom erlebt. Mit der Teilschließung des “Werks”, wie das Heraklithwerk liebevoll von den Ferndorfern genannt wird, erlebt der Ort nicht nur eine Wirtschaftskrise, sondern auch eine Identitätskrise. Das „Werk“, war nicht nur das Ur-Werk der Dämmstofferzeugung sondern auch das Uhr-Werk des Ortes. Das Signal zum Schichtwechsel bestimmte das Leben im Ort und manche stellten ihre Uhr danach. Nach dem Schichtwechsel herrschte Leben im Ort, in den Geschäften und Gaststätten. Mehr

Uhr los.

SCHNEE:ade

Viele Menschen fürchten sich vor den Folgen des Winters. Die ergiebigen Schneefälle sind eine Belastung für die Dächer und in den alpinen Tälern hat die Lawinengefahr zugenommen. Manche Orte oder Talschaften sind durch die Schneefälle der letzten Tage unerreichbar. In der Stromversorgung kommt es zu Ausfällen durch unterbrochene Stromleitungen, verursacht von umgestürzten Bäumen. Für die Autofahrer sind manche Wintereinbrüche Chaostage, und nicht immer bleibt die Fahrt unfallfrei. Betrachtet man in unseren Breiten den Winter, den Schneefall, die Minustemperaturen als ein Muss, so kann man dies bei einer Fahrt nach Venedig auch anders erleben. Schon vor Undine gibt es im Tal keinen Schnee mehr und Ende Februar sind hier die Äcker und Wiesen grün. Bis hier her reicht der starke Arm des Winters nicht, seine Kraft wurde schon vorher gebrochen. In Venedig sind die Tische vor den Pizzerias gedeckt, und viele sitzen bei Sonnenschein im Freien. Hier genießen die Menschen das Leben auch ohne Schnee.

 

Ein Gleichnis auf das menschliche Leben. Oft glaubt man, dass man sich dem Einfluss, der Macht, eines anderen Menschen nicht entziehen kann. Man nimmt seine Ausbrüche, die Unbilden als gegeben hin. Vielfach braucht es nur einen Ortswechsel oder einen Blickwechsel und man erkennt, dass es auch ohne die Unbilden geht. Man muss nicht alles als gegeben hinnehmen.

 

Lebensgenuss.