vor:gestern

Als der Vater ein Moped, die blaue Puch 50, kaufte bedeutet dies für uns Jugendliche einen Schritt nach vorne. Die blaue Puch durfte auch von uns Burschen benützt werden, plötzlich waren wir mobil. Das zweisitzige Moped wurde vielseitig eingesetzt, um Lebensmittel im nahen Ferndorf zu besorgen, die Eier und die Milch zur Sammelstelle zu bringen, zum Besuch der Sonntagsmesse und an Wochentagen um den weit entfernten Holzschlag zu erreichen. Im Sommer fuhren wir mit dem Moped  am Sonntagnachmittag in das Ferndorfer Strandbad nach Döbriach. Diese Fahrten gingen nicht immer ohne Blessuren an uns über die Bühne. Die erste Frage nach einem Ausrutscher mit dem Moped war, ist die Blaue nicht beschädigt und fahrtüchtig?, alles andere war nebensächlich. Die wenigen Stunden am Millstättersee reichten aus, dass wir die nächsten Tage an einem Sonnenbrand litten. Zur Fütterung und dem Melken der Kühe mussten wir abends pünktlich am Hof sein. Das schrille Nacht- und Strandleben am Millstättersee, in den wilden 60er Jahren, ging an uns ungenützt vorbei. Die Unterhaltungstempel Rossmann oder Hausboot kannten wir nur vom Hörensagen. Für uns hingen die Trauben tiefer, dies war die Diskothek Untersteggaber in Olsach und die Kirchtage in den umliegenden Dörfern.

Meine Tagehefte werden von mir nummeriert, mit einem Index versehen und in ein Verzeichnis eingetragen. Ein Teil der Notizhefte, deren Ursprung bereits Jahrzehnte zurückliegt, wird  in absehbarer Zeit an das Deutsche Literaturarchiv Marbach am Neckar verschickt. Dort finden sie eine neue Heimat, ergänzend zur online Archivierung meines Blog schlagloch.

Ein Sommer wie damals.

reise:gestern II

In einem Sommer arbeitete die Schwester im familiären Hotel Miralago in Pörtschach am Wörthersee. Direkt am Ufer gelegen mit eigenem Badestrand, Bootshaus, Bootssteg und hoteleigenen Ruderbooten.Die Schwester servierte dort morgens das Frühstück und räumte am Vormittag die Zimmer auf. Während ihrer Zimmerstunde saßen wir gemeinsam auf der Hotelterrasse, blickten auf den Wörthersee und genossen unser Eis. Eines der Wenigen während des Sommers. Als Getränk gab es für uns Kinder zumeist Almdudler. Zugleich beobachteten wir die vornehmen Leute am Strand beim Baden, bestaunten die braungebrannten Körper der feinen Damen. Vor einigen Jahren haben wir der Schwester eine Überraschung bereitet und mit ihr nochmals das Hotel Miralgo besucht. Die Außenfassade des Hotels ist unverändert, es führt dieselbe breite Treppe von der Terrasse zum Badestrand. Wie damals vor  fünfzig Jahren. Die Jugendstilvilla hat inzwischen die Besitzer gewechselt, in den Sommermonaten wird weiterhin vermietet. Aus ihrer Zeit als Stubenmädchen gibt es ein Foto mit der damaligen Belegschaft, aufgenommen auf der Stiege. Diese Fotoszene haben wir nachgestellt.

Weder die Eltern noch meine Brüder konnten schwimmen. Als einziger in der Familie lernte ich in Tanzenberg, im internatseigenen Badeteich, schwimmen. Beim selben Professor, bei dem ich während eines Skikurses auf der Flattnitz Schifahren lernte. Nichts desto trotz gingen wir an besonders heißen Samstagnachmittagen mit dem Vater zu Fuß über den Berg, vorbei an Nußdorf und Kleinegg, zum Millstätersee in die Laggerbucht zum Baden. Zuvor wurde die Heuarbeit auf den steilen Wiesen in Politzen erledigt. Im Gebäck unsere schwarzen Klothhosen, die sowohl beim Turnen, beim Fußballspielen und beim Baden getragen wurden. Das Planschen im Millstättersee,  nach einem verschwitzten Arbeitstag in der Landwirtschaft, ersetzte zugleich das Baden in der Badewanne. Ansonsten wurde im Hof eine große Blechwanne mit lauwarmem Wasser gefüllt, dort konnten wir uns den Schmutz und den Staub vom Leibe waschen. Ein Bad oder Dusche im heutigen Sinne gab es zur Jugendzeit auf dem Bauernhof nicht.

031

reise:gestern I

Beim Radfahren an der Drau habe ich diesmal mein aktuelles Notizbüchlein nicht dabei und greife auf ein Notizheft in der Satteltasche vom Fahrrad zurück. Fast auf den Tag genau findet sich in diesem ein Eintrag, der Einzige, welcher acht Jahre zurückliegt. So schnell werde ich in der Zeit zurückversetzt. Die wirkliche Zeitverschiebung besteht darin, dass sich der Eintrag mit der damaligen Befindlichkeit mit einer Notiz zu den Ferienerlebnissen in den Kinder- und Jugendjahren verbindet. Von der Arbeit bin ich mit dem Fahrrad von Arnoldstein kommend beim Sonnenblumenfeld in Warmbad angelangt. Es ist etwa acht Uhr abends und ich mache eine Pause. Mein Empfinden ist nach einem Kuraufenthalt gestört, die Gymnastikübungen für den Rücken haben eine unstabile Phase ausgelöst. Durch das Radfahren hoffe ich das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Mein Fokus ist in die Zukunft gerichtet. Wie werden sich die nächsten Jahre in der Selbstständigkeit, die Letzten vor der Rente, verhalten. Umgekehrt versuche ich durch Rückblicke in das Vorvorgestern Stabilität zu schaffen. Welche Erinnerungen habe ich an die Ferien der Kindertage.

In den sechziger Jahren war in den großen Sommerferien ein Besuch bei der Schwester für mich ein Höhepunkt. In den Sommermonaten arbeitete sie als Serviererin oder als Stubenmädchen zumeist in einem Seehotel am Wörthersee. Bei diesem Sonntagsausflugsziel wurden wir, Geschwister und ich, vom Vater oder von der Mutter begleitet. Keinesfalls von beiden Elternteilen. Es war eine eiserne Regel, dass sich nie beide Elternteile an einem längeren Ausflug beteiligten. Der Grund, man wollte verhindern, dass bei einem Unglück im Straßen- oder Zugsverkehr beiden Elternteilen etwas zustoßen könnte. Damit wäre der Bauernhof verwaist gewesen, ein Notstand für die Versorgung der Haustiere und uns Kindern. Geregelt war auch, dass einer von den älteren Geschwistern am Hof bei einem Elternteil blieb. Einerseits um diesen bei der abendlichen Versorgung der Schweine, Kühe und Hühner zu unterstützen, anderseits bei einem Unglück eine tatkräftige Hilfe am Hof zu sein. Es gab keine größeren gemeinsamen Familienausflüge, die Fürsorge für die Landwirtschaft hatte vor allem anderem Vorrang.

Immer wieder sonntags.

reise:heute II

Die Zugfahrt von Villach nach Hamburg dauerte etwa zwölf Stunden, wobei ich die Zugfahrt keinesfalls missen möchte. Ein Zugabteil ist ein menschliches Biotop auf  kleinem Raum. Die Wetterfolge im Norden hat sich wechselhaft und windig gezeigt. Tagsüber wechselten Sonnenschein und Wolken mit kurzen Regenschauern in schneller Folge. Eine Windjacke war bei den Ausflügen immer dabei. Die Tagestemperaturen hatten mit unseren gewohnten Sommertemperaturen nichts gemein. Ein Badetag an der Ostsee stand für uns von vornherein nicht auf dem Speiseplan. Das die Geburtsstätte für den Strandkorb an der Nord- oder Ostsee liegt, wurde uns auf jeden Fall klar. Dazu eine   Episode von einer Reisebekanntschaft. Diese haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass auch die Badeseen in Kärnten keine warmen Lacken sind. Vor einigen Jahren haben sie einen Badeurlaub am Weißensee in Kärnten verbracht. Von einem deutschen Reisebüro wurde ihnen der Aufenthalt empfohlen, da der Weißensee der wärmste Badesee von Kärnten sei. Während ihres Urlaubs herrschte zeitweise Schlechtwetter, ein Badevergnügen war nicht in Sicht. So war von ihrer Seite der Vergleich mit der Ostsee nahe liegend. In Wirklichkeit ist der Weißensee der höchst gelegene Badesee Österreichs und der kälteste See in Kärnten.

Steigt man am Hauptbahnhof  in Villach aus dem Zug, empfindet man die vielen Eindrücke der Städtereise gerade so, als ob man am Ende von einem Film aus dem Kino hinausgeht. Noch eine Ähnlichkeit fällt mir mit dem Kino ein. Im Gedächtnis sind die dramatischen, spektakulären und die problematischen Vorfälle von der Tour besser haften geblieben, als die entspannenden Ereignisse. Mein privates Glück sind die Notizbüchlein wo ich, soweit es bei einer geführten Stadttour die Zeit erlaubt, die markanten Eindrücke und Begebenheiten in beiderlei Richtungen festhalte. Dazu kommen neuerdings die Fotos mit dem Smartphone. Wobei das ziellose Streunen durch die Stadt mehr Wahrnehmungen erlaubt, als die Hopp off on Stadttour, wie sie heute überall angepriesen wird.

Doppeldecker

reise:heute I

Die Unterschiede zwischen den Sommervergnügen und Ferienerlebnisse von heute und von vorgestern sind unübersehbar. In der Rente habe ich alle gefühlte Zeit der Welt und auch etwas mehr Urlaubsbudget zur Verfügung, als anno dazumal. Von einer Reise an die Nordsee zurückgekehrt führt mich mein erster Radausflug, welchen ich schon sehnlichst erwartet habe, zum „Unterbergerbrunnen“ beim Draukraftwerk Villach. Diesen Rastplatz hat man als Oase der Ruhe angelegt, abgeschirmt durch einen Kranz aus Sträuchern. Ausgestattet mit Sitzbänken und als Wetterschutz mit Plexiglas überdacht. Dieser Marmorbrunnen, eine Säule mit vier Schlüssellöchern, verwandt mit den vier Jahreszeiten oder Himmelsrichtungen, wurde vom Hermagorer Bildhauer Herbert Unterberger geschaffen. Er ist schon einige Jahre lahmgelegt. Wahrscheinlich hat der Verfall vom Brunnen damit begonnen, dass sich der Abfluss verlegt hat. Entweder durch rastende Besucher die Verpackungspapiere achtlos entsorgt haben oder durch Laub von den umliegenden Bäumen und Sträuchern. Niemand fühlt sich für die Pflege des Brunnen und des Rastplatzes, welche anlässlich der Inbetriebnahme des Wasserkraftwerkes errichtet wurden, zuständig. Weder die Stadt noch die Betreiber des Kraftwerkes. Man hat den Brunnen seinem Schicksal überlassen, wie ein weggelegtes Kind. Inzwischen ist ein Großteil der Plexiglasüberdachung zerstört, an der Säule zeigen sich Risse und es rieselt schon lange kein Wasser mehr aus den „Schlüssellöchern“. Jetzt ist der Eingang zur Anlage und der unmittelbare Bereich um den Brunnen durch Baugitter abgesperrt. Obwohl der Drauradweg zu einem Publikumshit geworden ist, wurde hier ein Schritt rückwärts gemacht. Rückblickend auf die letzten vierzehn Tage bin ich froh, mich hier auszuruhen.

Bei der Ostseereise mit Ausgangspunkt Hamburg sowie Kiel, danach entlang der Ostsee standen täglich Stadt- und Museumsbesichtigungen auf dem Programm. Das nördliche Klima bedeutete eine Umstellung, es hat bei mir die Vorstellung von Meer verändert. Bislang waren meine Vorstellungen vom Meer durch die Obere Adria geprägt, die für mich vor der Haustüre liegt. Von Kärnten aus sind die Städte an der Oberen Adria in zwei bis drei Autostunden erreichbar.

Autobahnstau