leben:mitte

Vor acht Monaten ist Udo J. bei einem Spaziergang in Gottlieben in der Schweiz zusammengebrochen und gestorben. Er hatte gerade Tournee Pause, Mitten im Leben, welche er in diesem Jahr in Österreich fortsetzen wollte. Zu seinem achtzigsten Geburtstag hatte ihn das Fernsehen mit einer großartigen Show gefeiert. Wir suchten nach einer passenden Fernsehsendung für den Abend, da wurde in den Nachrichten verkündet, dass Udo J. gestorben sei. Aus diesem Anlass wurde die Geburtstagsgala zu seinem 80er aus Freiburg wiederholt. Bei den Liedvorträgen durch die verschiedenen Interpreten hatten wir ein zwiespältiges Gefühl. Dabei hatten wir immer die Stimme und die Interpretation von Udo im Kopf und so haben uns die Auftritte nicht so gut gefallen. Ungewollt haben wir die Art der Interpretationen verglichen. Jene Auftritte haben uns am meisten überzeugt, die Udo nicht nachgeahmt haben, sondern seine Lieder neu interpretiert haben. Bei dieser  TV-Gala konnte man Udo seine Emotionen ansehen, weil viele jüngere Sänger und Sängerinnen seine Lieder weiterverbreiten. Etwas auch die Erschöpfung von der Tournee. Zu den schönsten Momenten und Stunden gehören für einen Künstler, wenn er miterlebt, dass sein Werk weiterlebt. Bei einem schöpferischen Menschen, egal in welchem Genre, steht immer das Werk im Mittelpunkt.

Der Titel, Mitten im Leben, war etwas gewagt. In Österreich gibt es ein Gedächtnistrainingsprogramm für Senioren, welches Mitten im Leben  heißt. Mit allerlei Themen, entsprechend der Jahreszeit, Worträtseln und Rechenaufgaben wird versucht das Gedächtnis aktiv zu halten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, üblicherweise nehmen mehr Frauen als Männer teil, sind in einem Alter von sechzig bis neunzig Jahren.

Dabei stellt sich die Frage, wann ist es Mitten im Leben, ist dies mit 40, 50 oder 66 Jahren?  Soll es so verstanden werden, dass Mitten im Leben einfach heißt, am Leben teilnehmen. Jeder der aktiv an den Mitmenschen Interesse zeigt, am Alltagsgeschehen teilnimmt, befindet sich Mitten im Leben, da spielt das kalendermäßige Alter keine Rolle. Wer sich aus dem Alltag, aus den Beziehungen zu anderen Menschen ausklinkt, befindet sich auch mit vierzig Jahren nicht mehr Mitten im Leben. Der Tournee Titel von Udo J. war ein positives Signal für aktive ältere Menschen. Schon einmal hat er mit seinem Schlager, Mit 66Jahren fängt das Leben erst an…, älteren Personen Mut gemacht.

Aus dem Tagebuch…

bild:frei

In der Lagunenstadt Venedig sind die meisten Augusttage trotz der vielen Kanäle und einer Brise vom Meer, sehr heiß. Trotzdem streunen eine Fülle von Menschen zur Biennalezeit, auch bei Temperaturen von 35 Grad und mehr, durch die Länderpavillons in den Giardini. Am Vormittag, wo man körperlich noch ausgeruht ist, fällt es einem leicht sich mit den Objekten, Videos, Installationen und Bilder der Künstler auseinanderzusetzen. Nach der Fülle von Ausstellern im Central Pavillon und der Runde durch die Länderpavillons, blickt man am frühen Nachmittag sehnsüchtig auf die gegenüberliegende Seite der Giardini. Dort gibt es eine Fortsetzung der Länderpavillons welche man über eine Kanalbrücke erreicht. Das Überqueren dieser Brücke erlebt man als erfrischende Wohltat, auch wenn man im Kanal nicht baden kann. Der Anblick des Wassers gibt einem neue Kraft.

Auf der anderen Seite erwartet einem ein Spalier von Bäumen und am Ende vom Garten der Österreichpavillon. Ein  längsgezogener, rechteckiger Bungalow mit einer weißen Fassade. Für den Besucher wirkt er von außen und beim Eintreten so, als wäre der Österreichpavillon frisch renoviert worden. Durch die glatten weißen Wände, der Decke und dem Fußboden in schwarz, wirken die großen Räume wie die Eingangshalle eines Designhotels. Dazu in jedem Raum, rechts und links, jeweils eine schmucklose weiße Bank. Schlicht, wie eine vergrößerte Heftklammer. In den ersten Minuten ist man im Zweifel, handelt es sich bei der Bank  um eine Kunstinstallation oder ist es eine Bank zum Ausruhen für die Besucher. Die Schlichtheit und die schwarz-weiß Optik sind nach den vielseitigen Eindrücken am Vormittag erholsam. Es gibt auch keine Musik oder sonstigen Geräusche, einzig die Schritte und das Gemurmel der Besucher.

Beim Verweilen in den Ausstellungsräumen kann ich die fragenden und staunenden Gesichter der kunstinteressierten Besucher beobachten. Sie halten nach dem Kunstwerk, den Bildern oder einer Installation, Ausschau. Manches Mal kommen zweifelhafte Aussagen, ob die Kunstwerke vergessen wurden. Im österreichischen Pavillon ist viel geschehen. Heimo Zobernig hat alle Wände, die Decke und den Boden im Pavillon neu beschichtet und so dem Pavillon ein neues Aussehen gegeben. Der anschließende Innenhof wurde neu bepflanzt und zu einer Oase in der Bilder- und Skulpturenflut in Venedig. Besucheräußerungen sehen manchmal in den gepflanzten Bäumen, im neu strukturierten Garten, die Lösung des Kunsträtsel. Entspringt das Outfit von der Aufsicht einem Wunsch von Heimo Zobernig? Der junge Mann ist ganz in schwarz gekleidet, die Schuhe, die Hose, das Hemd, bis zu den schwarzen Haaren.

Vor sechs Jahren war der österreichische Beitrag zur Biennale von anderer Art. Hingucken… 

ver:trauen II

Für den religiösen Menschen und seinem Glauben spielen die Ereignisse rund um das Weihnachtsfest eine bestimmende Rolle. Im Alltag sagen wir oft wir hoffen, dass eine Reise, eine Familienfeier harmonisch abläuft. Man vertraut, setzt nicht auf Aufklärung und Voraussicht. Setzt Vorausplanung und Einsicht den Glauben außer Kraft? Fast nichts läuft im Alltag ohne Vertrauensvorschuss ab, wir vertrauen auf die Wirkung einer Massage oder eines Medikamentes. Bereits bei so einem banalen Vorgang, wie einem Einkauf, vertrauen wir, dass wir Dies und Jenes im Regal vorfinden werden. Das größte Vertrauen setzen wir in den Partner. Wir hoffen, dass er uns in einer schwierigen Lebenssituation, wenn wir angegriffen oder beschimpft werden, wenn wir müde und ausgelaugt sind, unterstützt. Uns zu einer unangenehmen Besprechung oder Untersuchung begleitet. Als selbstverständlich nehmen wir an, dass wir morgens wach werden. Die Zweifler versichern sich nachts zwei bis dreimal, dass sie noch am Leben sind.

„Dass die Sonne morgen aufgehen wird, ist eine Hypothese und das heißt: wir wissen nicht, ob sie aufgehen wird“. (Zitat Ludwig Wittgenstein)

Unbewusst vertrauen wir ein Leben lang unserem Herz, von dem die Meisten nicht wissen, welche Leistungen es erbringt. Erst wenn es schmerzt oder holpert werden wir wachgerüttelt. Ähnlich verhalten wir uns zu den anderen Organen. So zu der Lunge, der wir erst dann Aufmerksamkeit schenken, wenn wir beim Stiegensteigen in Atemnot geraten. Nach Tagen, an denen ich keinen Text verfasse, vertraue ich meinem Gehirn, meiner Intuition oder wem sonst, dass ich in der Verfassung bin Texte zu erstellen. Würde die Eingebung ausbleiben, wäre dies für mich ein großer Vertrauenseinbruch.

Richtwert

ver:trauen I

Wir befinden uns in der schönsten Phase des Sommers, die Tage sind warm, die Abende lau und es ist lange hell, sodass man vieles im Freien genießen kann. Jetzt gibt es eine Diskussion darüber, wie der kommende Winter sein wird. Voriges Jahr erlebten wir den wärmsten Dezember seit den Temperaturaufzeichnungen. Bei den geselligen Runden im Freien schwärmen viele Frauen davon, dass sie bereits einen Teil der Weihnachtsgeschenke eingekauft haben. Auch Firmen werben bereits für den Weihnachtseinkauf, mit Vororderaustellungen. Die Modeversandhäuser verschicken die ersten Weihnachtskataloge. Die Reisebüros wollen einem den Weihnachtsurlaub schmackhaft machen, indem sie drohen, dass viele Reisen für die Weihnachtsfeiertage bereits ausgebucht sind. Zumeist sind es Fernreisen oder Angebote, welche vom Wetter unabhängig sind. Schwieriger haben es die Vermieter in den Alpenregionen, wo das Wetter unstabil ist und genügend Schnee eine Rolle spielen. Trotz dem Einsatz von Schneekanonen gibt es noch keine Schneegarantie. Zum Beispiel der vergangene Dezember,die Temperaturen waren für den Einsatz der Schneekanonen zu hoch.Trotz Minustemperaturen in der Nacht, schmolz der Schnee bei den Plusgraden tagsüber. Zum Leidwesen der Wintertouristiker hat sich das Buchungsverhalten für den Winterurlaub geändert. Erst wenn es die ersten Meldungen von einem Wintereinbruch in den Alpen gibt, läuten bei den Vermietern die Telefone. Heute wird vielfach über das Internet gebucht.

Ein heißer Sommer bringt die Hotelbesitzer und Liftbetreiber in den Wintersportregionen doppelt zum Schwitzen: Einerseits bei der Arbeit im Sommerservice und anderseits bangen sie um den Schnee für die Wintersaison.

Ich bin überzeugt, denken Menschen über fünfzig an Weihnachten, dann denken sie an die Zeit, wo sich der Schnee rund um das Haus auftürmte. Nähern sich die Weihnachtsfeiertage und es bleibt warm, weit und breit kein Schnee in Sicht, dann fehlt etwas für die weihnachtliche Stimmung. Die eigene langweilige, übersättigte Stimmung schiebt man dem fehlenden Schnee zu. Man hofft, dass mit dem Schneefall die Stimmung steigen wird. Zu guter letzt beharrt man darauf, das eine Schlechtwetterfront den Jahresausklang retten kann.

Sommerfrost.

hagel:sturm II

Am  Samstag, auf dem Weg zum Wochenmarkt, war ein Stück des Geh- und Fahrradweges Marxrain unpassierbar. Der Fallwind hatte entlang des Weges markante Bäume entwurzelt, zum Teil sind sie auf den Gehweg gestürzt, einige auf die darunterliegende Straße. Zusammen mit einem Stück Asphalt wurden sie entwurzelt. Vor diesen Naturgewalten weiche ich erschrocken zurück und vermerke mit Demut, dass das eigene Wohngebiet vom Hagel und den meisten Auswirkungen des Sturmes verschont geblieben ist. Überall parken die Firmenautos der Spengler und Dachdecker, der Glasermeister und Holzschlägerunternehmer. Auf einem Firmenauto steht: Nicht verzagen wir kommen schon, ein Glasbruch ist kein Beinbruch. Die Schäden sind diesmal um einiges größer als nur eine kaputte Fensterscheibe. Die Sturm- und Hagelschäden betreffen im Besonderen die Bauern und Gärtnereien, wo innerhalb von fünfzehn Minuten die Ernte eines ganzes Jahres zu Bruch gegangen ist.

Mancher Jugendlicher, der sich von seinem ersten selbstverdienten Geld ein Auto gekauft hat, steht jetzt vor einem zerbeulten Fahrzeug. Wer weiß, wie stark Jugendliche an ihrem Auto hängen, kann den gefühlsmäßigen Schaden erahnen, unabhängig vom finanziellen Schaden. Eine Kaskoversicherung haben die wenigsten und die Katastrophe hat Nothelfer angezogen. Auf den Parkplätzen der Einkaufszentren sieht man jetzt mobile Kfz-Werkstätten, die eine Dellensanierung anbieten. Die Autokennzeichen verweisen auf Flexibilität und dem geschäftlichen Riecher. Nach dem Motto: Was dem einen ein Schaden, ist mein Nutzen. Einige dieser mobilen Werkstattwägen kommen aus Wien und Tschechien um hier Geschäfte zu machen. Ein Mechaniker empfiehlt sich in Geduld zu fassen und sich nach ein paar Wochen an einen heimischen Betrieb zuwenden. Die mobilen KFZler würden aus der Not der anderen für sich eine Tugend machen und die Reparaturen zu überhöhten Preisen anbieten.

Bei einem Autoservice im November hat sich ein KFZ-Meister bei mir darüber beklagt, dass das Geschäft in der Werkstätte flau sei. Die Ursache sah er darin, dass es damals noch nicht geschneit hatte und es daher keine Unfälle gab, wie sie oft mit den ersten Schneefällen auftreten. Wobei es zumeist Blechschäden gibt. Die  Schneefälle waren bis dato ausgeblieben, sein Geschäft leidet darunter. Jetzt,  wo das Geschäft auf der Straße liegt, existiert sein Betrieb nicht mehr, er selbst ist seit einigen Jahren in Pension.