Am Christi Himmelfahrtstag rufen die Glocken der Pfarrkirche von Völkendorf in Villach mehrmals zur Heiligen Messe. Wer hört diese Rufe? Viele sind beim Frühstück, planen den heutigen Feiertag, sind bereits in den Urlaub unterwegs, fahren oder fliegen dorthin. Erheben sich in den Himmel, wie einst Jesus, dieser ohne technische Hilfsmittel. Noch heute schauen viele Menschen, vor allem Ältere und Jüngere den Flugzeugen am Himmel nach, den Kondensstreifen, bis sie verblassen.
Mit unterschiedlichen Erwartungen hat sich eine Schar von Gläubigen in der Dreifaltigkeitskirche versammelt, um einer Uraufführung beizuwohnen. Es wird keinem Brauch gehuldigt, keine Volksfrömmigkeit, hier ist fast jeder ein individueller Gläubiger, der sich aus persönlichen Gründen für das Christentum interessiert. Links vom Altar sind verschiedene Schlagzeuginstrumente für die Perkussion aufgebaut. Die Elektrogitarren lassen auf eine Rhythmische Messe schließen. Der Komponist Primus Sitter hat einen Kompositionsauftrag für Christi Himmelfahrt erhalten. In meiner Erinnerung sehe ich, wie in der Kirche St. Paul ob Ferndorf die Christusstatue in die Höhe schwebt und im Dachboden der Kirche verschwindet. Schaue ich hier in die Höhe, dann sehe ich das Sonnenlicht auf das Mosaik von der Dreifaltigkeit scheinen.
Beim Einzug des Pfarrers mischt sich zwischen die Klänge des Eingangsliedes von einer Audiokassette das Glockengeläut von Völkendorf. Jeder, der dem Ruf der Glocken gefolgt ist, wird noch einmal eingeladen sich auf die Messfeier einzulassen, auf die Musik von Gitarre, Elektrobass und Schlagzeug. Pfarrer Deibler begrüßt die Kirchenbesucher, verweist auf die Lifesituation der musikalischen Darbietung, sie ist nicht wiederholbar. Viele Judendorfer und Völkendorfer werden dies versäumen. Nah dabei sind drei bedürftige Männer, einer mit Steireranzug und einem Hut mit vielen Abzeichen, die sich in die erste Bank setzten.
Zum Gloria rufen die Töne des Didgeridoo und die Kirchenbesucher stimmen mit ein. Zwischen der Ersten und der Zweiten Lesung wird rhythmische Musik, dazwischen akustisch verfremdete Aufnahmen aus früheren Messfeiern von Völkendorf, gespielt. Wir hören unsere Vergangenheit, wir bekommen einen Spiegel vorgehalten. Die Musik wird verstärkt von Zugsignalen und Vogelstimmen.
Im Evangelium steht, wie Jesus seine Jünger darauf vorbereitet, dass jetzt für sie die Zeit gekommen ist, in die Welt hinauszugehen, um seine Botschaft zu verkündigen. Er wird zu seinem Vater in den Himmel zurückkehren. Pfarrer Deibler macht in seiner Predigt darauf aufmerksam, dass die Meisten zeit ihres Lebens in einem Karussell auf einem Pferd sitzen und sich im Kreis drehen. Der einzige Fortschritt besteht darin, dass manche auf ein schnelleres Pferd wechseln und sich das Lebenskarussell schneller dreht. Es ist immer derselbe Jahrmarkt, dasselbe Umfeld, der Kreisverkehr der Provinz. Wer vom Pferd heruntersteigt, dem kann ganz schön schwindlig werden, es dreht sich alles weiter und viele wählen den Weg zurück auf das Pferd. Wenige verlassen den Jahrmarkt der Provinz und gehen hinaus in eine offene, neue Welt.
Vor der Wandlung beginnt die Musik mit feinen Tönen, dazwischen die zarten Klingeltöne der Ministrantenschellen. Das Aufbrausen des Geistes, der gegen den Himmel fährt. Das wiederholte Klingeln läutet unsere Wandlung ein, untermalt von meditativen Tönen. Die Musik bereitet uns darauf vor, gibt uns die Gelegenheit unsere Gedanken zu verwandeln. Der Mittelpunkt der Messe.
Die Melodien zur Kommunion führen uns hinaus aus dem Karussell, zu den Vogelstimmen, zum Rauschen der Drau, diese sind außerhalb der Stadt zu hören.
Ein Zug fährt durch.
Aus dem Tagebuch, 21. Mai 2009. Mehr zu Primus Sitter…