rail:jet

Stehend verfolgen wir im Railjet gespannt die ständig wechselnde Anzeige auf dem Monitor. Unter den Fahrgästen herrscht eine nervöse Spannung, da es darum geht, die Anschlüsse von Regionalzügen zu erreichen. Die Anzeige am Monitor revidiert die planmäßige Ankunft des Railjet im Salzburg Hauptbahnhof nach oben. Aus fünf Minuten werden zehn Minuten und mehr an Verspätung. Die Nervosität und der Unmut unter den Reisenden war im Großraumwagon zu spüren. Die Situation wurde verschlimmert, da bereits am späten Nachmittag die Dämmerung einsetzt und dadurch das subjektive Zeitgefühl um einiges gestört wird. Einige Reisende telefonierten lautstark mit Bekannten, welche sie am Bahnhof erwarteten und teilten ihnen die Verspätung mit. Dramatischer hörten sich die Gespräche bei den Leuten an, welche den Anschlusszug versäumen und zu einem viel späteren Zeitpunkt im Heimatort eintreffen werden. Dabei wurden wartende Kinder oder die Oma welche noch versorgt werden soll, genannt.

In diese aufgebrachte Stimmung mischte ich mich ein, auch bei mir wird der Anschlusszug bereits das Weite gesucht haben. Selbst wenn ich durch die Bahnhofshalle stürmen würde und die Stiege in Riesenschritten nehme, würde ich nur die roten Schlusslichter meines Zuges nach Villach sehen. Meine einzige Wahl ist, in zwei Stunden den nächsten Fernverkehrszug von Salzburg nach Villach zu nehmen. Insofern bin ich in der besseren Situation, da ich mit niemanden telefonieren und meine Verspätung ankündigen muss. Zuhause wartet auf mich unsere Wohnungskatze Sissi. Bei all ihrer Intelligenz und den Fähigkeiten die wir ihr zuschreiben, weiß sie nicht, ob ich zum geplanten Zeitpunkt ankomme. Einerlei ob ich zu Hause zwei Stunden später eintreffen werde. Sissi orientiert sich an den Liftgeräuschen und steht rechtzeitig bei der Wohnungstüre, wenn ich eintrete. Sie verzeiht es mir allemal, wenn ich später nach Hause komme und hat sich diesbezüglich kein einziges Mal beklagt, respektive miaut.

zug:fahren

Ein Ärgernis bei der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln sind Verspätungen. Wobei ich vorweg feststelle, dass es im Straßenverkehr in den großen Städten ständig mit Staus zu rechnen ist. Von den Fernverkehrsstraßen wissen wir, es kommt immer wieder zu Verzögerungen. Über den Flugverkehr kann ich nichts Wesentliches sagen, da ich nur wenige Mal ein Flugzeug benützt habe. Ich kenne die irrwitzigen Verspätungen und Flugausfälle nur aus den Erzählungen von Freunden und aus den Nachrichten im Fernsehen. Am meisten Routine habe ich beim Zugfahren. In Österreich hapert es mit der Pünktlichkeit in größerem Ausmaß, wenn Züge aus dem benachbarten Ausland an der österreichischen Grenz verspätet eintreffen. Dies betrifft meistens die internationalen Fernverkehrszüge.  Sucht man im Internet für eine Zugreise nach passenden Verbindungen, mit den besten Anschlüssen, dann ist die Zeit im Umsteigebahnhof eventuell zu knapp bemessen. Zwischendurch kann es passieren, dass man den vorgesehenen Anschlusszug verpasst. Auf die nächste solide Verbindung muss man zwei Stunden warten. Ich habe gesehen, dass es bei der Suchanfrage zu Zugsverbindungen eine Einstellung gibt, wo eine längere Umsteigzeit vorsehen ist. Für den beschaulichen Zugtouristen und nicht für den schnellen. Interessant ist der große Unmut bei den Bahnreisenden, kommt es zu kleinen Verspätungen, die täglichen Staus in den Großstädten beim Berufsverkehr nimmt man in Kauf.

Die Einstellung, es ist sinnvoller mit dem eigenen Pkw zur Arbeitsstelle zu fahren setzt sich bei den Urlaubsreisen fort. Immer noch sind viele der Meinung, das eigene Auto ist die bessere Alternative zum öffentlichen Verkehr. Für mich ist es viel bequemer in einem Zug als in einem Pkw zu verreisen. Zum anderem überlasse ich das Fahren und die Beförderung jemand anderem, währenddessen ich bereits den Urlaub genießen kann.  Ich entspanne mich bei einem Imbiss, Gespräch oder Lesestoff.

sehn:sucht

Schaue ich aus meinem Schreibzimmer, so erfassen die Augen die Obstgärten der Nachbarn, schweifen über die Dächer einzelner Einfamilienhäuser hinweg auf einen bewaldeten Berghügel und werden dann von der mächtigen Front der Karawanken angezogen. Über ein Jahrzehnt genieße ich diesen Ausblick, der sich je nach Jahres- und Tageszeit anders darstellt. Der  markanteste  Berg in meinem Sichtfeld ist der Mittagskogel. Dessen Pyramide ragt breit und hoch in den Himmel. Sichtbar ist der Teil ober der Waldgrenze, der pyramidenförmige Felsen, der je nach Sonneneinstrahlung eine andere Farbe annimmt. Die mir zugewandte Seite wird ab dem frühen Nachmittag  bis zu ihrem Untergang von der Sonne angestrahlt. Dabei ergeben sich je nach Witterung spektakuläre Stimmungen. Nach dem ersten Schneefall färbt sich bei Sonnenuntergang der Schnee rötlich. An solchen Stimmungen kann ich mich nicht satt sehen. Bei den Berggipfeln der Karawanken endet mein Blick. Das Villacherbecken erlaubt seinen Bewohnern einen Rundumblick.

In Kärnten gibt es Täler, wo die andere Talseite gefühlsmäßig mit der Hand greifbar ist. Blickt man Tal auswärts, plant eine Flucht, wird man vom Bergmassiv des Dobratsch daran gehindert. Was ist im Sehnsuchtsort, Obere Adria, anders? Die große Ebene, die unverständliche Sprache, das fremde Gehabe. Eine Sorglosigkeit in den Gesten und bei der Arbeit. Die Leichtigkeit der Bauweise, sobald man die wehrhaften Trutzburgen im Kanaltal hinter sich gelassen hat. Vor dem Fremden breitet sich die Küste der Oberen Adria aus. Nach einer Begrenzung werden die Augen vergeblich suchen. Der Blick verliert sich im Horizont, wo sich die Adria mit dem Himmel vermählt.

Sandstrand

apollo:11

Vor drei Monaten feierte man mit viel Getöse und vielen TV- Sendungen die erste Mondlandung vor fünfzig Jahren, geglückt ist sie der Besatzung von Apollo 11. Aus Nostalgie habe ich mir das Buch vom Molden Verlag, Die Mondlandung, antiquarisch besorgt. Die Auflage stammt aus dem Jahre 1969. Von der Seitenanzahl übertrifft es alle  Neuerscheinungen zu diesem Ereignis. Bei den Sachbüchern hat sich das Layout wesentlich geändert, der Aufbau der Seiten ist heutzutage viel übersichtlicher. Zu jenem Zeitpunkt habe ich in einer Buchhandlung gearbeitet und ich kann mich an den Verkauf obiges Buch erinnern. Zudem gab es eine Fülle von Sonderausgaben verschiedener Zeitschriften, die sich der Mondlandung widmeten. Erstmals erschien die Bild-Zeitung aus Anlass der Mondlandung mit farbigen Bildern. Bis dahin waren Farbfotos in den Tageszeitungen unbekannt und es dauerte noch ein Jahrzehnt bis der Vierfarbdruck bei den Tageszeitungen Einzug hielt.

Die Übertragung der Mission von Apollo 11 war das erste weltweite Fernsehereignis. Wie die heutigen Großereignisse, Fußballweltmeisterschaft, Olympische Sommer- und Winterspiele war diese Mission ein Motor für die Elektrohändler. Mit Blick auf das Event wurde kräftig für den Kauf eines Fernsehers Werbung gemacht. Die Fernsehapparate waren Monster vom Gewicht und vom Umfang her. Die Bildschirme waren gegenüber den heutigen Flachbildschirme winzig. Einen eigenen Fernseher besaß ich erst ein paar Jahre später, dies war ein TV-portable, dessen Bildschirm so groß war wie die Bildfläche eines 17 Zoll Leptos. Die Werbung vor dem Hauptabendprogramm war ein Muss. Intensiv in meinem Gedächtnis geblieben ist die TV Reklame  für das Waschmittel der Weiße Riese. Kann man dieses heute noch kaufen? Die Werbung für Humanic Schuhe endete mit Franz.  Diese Werbeeinschaltungen wurden von den  Literaten der Wiener Gruppe gestaltet, mit den Mitteln der konkreten Poesie.

Franz

land:gang II

Ich hatte gewisse Zweifel an der Geschichte, auf jeden Fall sah ich darin eine grenzenlose Sorglosigkeit. Wir wollten ihnen keine Moralpredigt halten, aber an Bord wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass man beim Landgang nur die Bordkarte und ein Minimum an Bargeld mitnehmen soll. Für die sichere Aufbewahrung von Bargeld, Kreditkarten und Wertsachen gibt es in jeder Kabine einen Tresor. Mit Vorwürfen auf ihr unkluges Verhalten und Mitschuld hielten wir uns zurück. Das Abendessen verlief gedrückt. Am Ende vom Abendessen wandte sich der Bestohlene an ein anderes Ehepaar am Tisch, dieses war aus demselben Land.  Beide unterhielten sich im Flüsterton. Ich ahnte, dass sie diese bitten würden, ihnen Geld zu borgen. Nach dem Abgang wurde uns dies bestätigt. Der Mann schob die Entscheidung über eine Unterstützung auf seine Frau, die Schatzmeisterin wie er betonte, ab. Wir machten den Vorschlag, wenn sie Geld borgen, dann beteiligen wir uns daran. Die Angesprochenen hielten sich mit einer Zusage bedeckt. Wie erwartet fehlte das Ehepaar am nächsten Tag beim Abendessen. Sie werden sich auf Deck Neun beim Buffet schadlos gehalten haben.

Nachdem das bestohlene Ehepaar beim Tisch Platz genommen hatte, erklärten wir von uns aus, dass wir sie für einen Landgang mit einem Geldbetrag unterstützen. Zugleich verzichteten wir auf eine Rückerstattung des Geldes. Zu den vielen Nebenspesen, welche bei einer Kreuzfahrt entstehen, war dies ein entbehrlicher Betrag. War dieser ansonsten aufbrausende und dominante Mann ein guter Schauspieler oder rührte ihn unsere Geste von Herzen? Nach unserem Vorschlag brach er in Tränen aus, sodass ihm seine Frau ein paar Taschentücher reichen musste.

Tempo Taschentücher