bettler:in II

Es ist für mich keine Überwindung einem von ihnen eine zwei Euro Münze zu geben. Ich frage mich dabei, was nützt dem einen Bettler meine Gabe, auch wenn es fünf oder zehn Euro wären?  Was bekommt er davon und wie hoch sind die Ausgaben für die Fahrt von Rumänien oder Bulgarien, um bei diesem Beispiel zu bleiben? Dazu kommen die Aufenthaltskosten hier in Villach. Bestimmt trägt die Bettelei nicht dazu bei, dass sich seine Situation nachhaltig verbessert. Im negativen Fall kann sich sein Pate  ein bequemes Leben gönnen. In einer Dokumentation vom Bayrischen Fernsehen ist man der Frage nachgegangen, ob es diese Bettlermafia gibt? Hinweise dazu gibt es, nur niemand aus diesem Kreis singt. Meine Überlegung ist, dass es Sinn macht, jeder nach seinem Willen und Möglichkeiten, eine caritative Organisation wie Nachbar in Not oder die Caritas zu unterstützen, die vor Ort versuchen für die Menschen in Rumänien oder in Bulgarien ihr Leid und den Hunger zu lindern. Dort die Voraussetzungen für eine nachhaltige Hilfe schaffen, zur Eigeninitiative anregen. Vor kurzem habe ich eine zweckmäßige Aktion, www.schenkenmitsinn.at , unterstützt, wo man einen Esel, Ziege oder Hühner spenden konnte. Das bedeutet, diese Spende ist Jahrelang wirksam und nicht nur einen Tag.

Eine spezielle Art von Bettler sind jene, welche sich an den Sonntagen vor den Kirchen platzieren und die Gottesdienstbesucher anbetteln. Sie hoffen, dass die Gläubigen, egal ob Christen oder  Moslem, besonders großzügig sind. In der allgemeinen Auffassung, dass Christen per Dogma zur Nächstenliebe verpflichtet sind, ansonsten sie eine Sünde begehen oder die Aussicht auf ein Weiterleben nach dem Tode im Himmel gefährden. Ein Paradebeispiel für die Nächstenliebe ist das Gleichnis von dem Kaufmann, der unter die Räuber gefallen ist. Er wird von ihnen ausgeraubt und liegt verwundet am Straßenrand. Viele sogenannte Gutmenschen  gehen an ihm achtlos vorbei. Man stellt Jesus auf die Probe und fragt ihn, wer ist denn mein Nächster? Sind dies nur Familienangehörige, Verwandte, Freunde oder Menschen aus demselben Ort?  Nein, sagt Jesus, jeder der in Not geraten ist, ist dein Nächster. So betrachtet sind auch die Straßenbettler unsere Nächsten. Anderseits gibt es Beispiele in der Bibel wo Jesus diejenigen verdammt, die ihre Talente nicht nützen oder das geborgte Geld nicht vermehren. Ganz schlimm erwischt es jene, im Gleichnis sind es Weinstöcke,  die keine Früchte tragen, sie werden ausgerissen und in das Feuer geworfen. Für mich klingen diese Beispiele so, als könnten man jene, welche ihre Talente nicht nützen oder keine Früchte tragen ihrem Schicksal überlassen. Dass es auch in den armen Ostländern Perspektiven gibt denke ich schon. Weiteres ist es sinnvoll mit unserer finanziellen Unterstützung direkt in den Ostländern nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen. Der Bettler, welcher sonntags vor der Kirche zur Hl. Dreifaltigkeit kniet und um eine Spende heischt, ist ein gesunder kräftiger junger Mann. Nachdem die letzten Menschen die Kirche verlassen haben, steht er auf, geht die Straße entlang und steigt an der Kreuzung in ein Auto ein. Bis zum nächsten Sonntag.

Sonntagsmesse.

bettler:in I

Neben der Diskussion um die neuen Steuerpläne der Regierung ist eine unerschöpfliche Thematik die Quotenregelung bei den Flüchtlingen. Zuerst, wie viele Flüchtlinge die einzelnen Staaten in Europa aufnehmen sollen, in  Zusammenhang mit den Bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Syrien und im Irak. Dort sind hunderttausende Menschen auf der Flucht vor den IS Kriegern und flüchten als nächstes, in die von unserem Niveau aus, armen Nachbarstaaten. So groß die Spannungen zwischen der EU und der Türkei sind, der Türkei muss man zugutehalten, dass sie enorme Mengen von Flüchtlingen aufnehmen. Die Flüchtlinge aus Nordafrika, welche über das Mittelmeer nach Süditalien und Südspanien kommen wären eigentlich unser Bier“. Auch in diesem Bereich gibt es nicht mehr als Absichtserklärungen von den EU- Ländern, vor allem von denen die etwas weiter vom Schuss weg sind. Aus den Augen aus dem Sinn.

Persönlich habe ich in einem Kärntner Grenzort Umgang mit Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien gehabt. Ich muss anerkennen, dass sich diese, die sich zumeist auf Verwandte im Ort stützen konnten, sich gut in das Dorf eingelebt haben. Um die Kärntner Quote zu erfüllen werden ansonsten Flüchtlinge in leer stehenden Kasernen oder anderen Bundesgebäuden untergebracht. Sie sind zumeist aus meinem Blickfeld. In mein Blickfeld gerückt sind, wenn ich in der Stadt unterwegs bin, Bettlerinnen und Bettler, darunter auch Kinder. Wobei das Bild, welches ich aus der Jugendzeit im Kopf habe, von körperlich beeinträchtigten, verwahrlosten und schmutzigen Menschen nicht mehr stimmt. Zu den Eventzeiten wie Weihnachten, Silvester, Fasching oder der Brauchtumswoche finden sich rund um den Villacher Hauptplatz mindestens ein Dutzend Bettler. Diese Bettler sind, je nach Witterung ausreichend bekleidet, nicht verwahrlost oder schmutzig. Zumeist gibt es auch keine sichtbaren körperlichen Einschränkungen. Warum sie trotzdem am Boden hocken ist für mich nicht nachvollziehbar, vielleicht wollen sie eine gewisse Armut oder Unterwürfigkeit zur Schau stellen. Woher sie kommen, dazu gibt es zumeist nur Gerüchte, aus Rumänien oder aus Bulgarien, aus dem Osten. Es wird angenommen, dass sie mit einem Kleinbus herangekarrt und abends wieder eingesammelt werden. Die Bettelei nichts mit persönlicher Armut zu tun hat. Eines ist offensichtlich, viele kontrollieren sofort, was man in ihren Becher geworfen hat und nicht immer schauen sie dabei zufrieden drein.

Wollmütze

zeit:lauf ll

Woher kommt das Zeitbewußtsein,  wenn ein Baby sehr bald seinen Essens Rhythmus hat, ist dieser ähnlich mit dem Empfinden der Kühe, die sehr unruhig sind, bevor sie ihr Heu bekommen. Egal ob es sich um Babys, Katzen, Rinder oder Fische handelt, in einer ersten Phase dürften die Zeitwahrnehmung ähnlich sein. Die Erinnerung an die Vergangenheit ist hauptsächlich durch schmerzhafte Erfahrungen geprägt. Die ersten bleibenden Empfindungen zur Vergangenheit sind leidvolle Vorkommnisse.  Wer einmal über eine Stufe gestolpert ist, wird sich diese mit Sicherheit merken.  Ein  Kleinkind kann dabei das erste Mal mit der Vergangenheit konfrontiert sein. Tiere verhalten sich ähnlich, wird beim Überschreiten einer Wegzone ein elektrischer Impuls ausgelöst dann wird das Tier, in Zukunft diese Zone nicht mehr überschreiten. Beim Erlernen von Fähigkeiten ist die wirkungsvollste Art die Belohnung durch Süßigkeiten oder Tierfutter. bzw passiert dies wenn es um die Erlernung, die Erinnerung geht, wo ich Futter bzw. Essen erhalte.

Immer wieder hat es den Anschein,  dass die Zeitwahrnehmung  dazu dient, sich an die Fehler, an die Unglücksfälle, an die Katastrophen der Vergangenheit zu erinnern. Die Vergangenheit wird durch diese Vorfälle datiert. Eine Faustregel von mir wäre,  fragt man mehrere Personen, an welche Lebenssituationen sie sich erinnern können, so werden diese bestimmt aus zwei Drittel von den Unglücksfällen und den Katastrophen stammen und nur ein Drittel aus glücklichen Vorkommnissen. Um dabei zu bleiben kann man sagen, dass die Zeit bei schmerzhaften Erlebnissen dem  Empfinden nach viel langsamer verläuft, als bei Angenehmen. Kommt es zu einer Störung beim Lift und man ist unfreiwillig eingesperrt, dann wird die Zeit dem Gespür nach bis zur Behebung der Störung unendlich langsamer vergehen, als bei einer Unterhaltung mit einem lieben Menschen in einem Cafe. Macht die Zeitrechnung und -messung, wie wir es derzeit kennen einen Sinn? Für den einen ist ein Jahr, geht es um einige Reisen, die Hochzeit oder den Wechsel in einen interessanten Beruf, wie es im Volksmund heißt im Flug vergangen. Für jemand anderen, der einen neuen Job sucht und dabei nur Absagen erhält oder sich von einer Operation erholen muss, kann ein Jahr unendlich lang dauern. Mehrfach hört man von Menschen, die sich in einer wirtschaftlichen oder zwischenmenschlichen schlechten Situation befinden den Klageruf: Hoffentlich ist dieses Jahr bald vorbei. Die Zeit ist eine Hoffnung in die Zukunft, die Vergangenheit, mit ihren Erlebnissen will man so schnell wie möglich los werden. Die Fähigkeit des Menschen, das Denken an die Vergangenheit und die Planung der Zukunft ist ein subjektiver Prozess. Jeder hat das Gestern in einem anderen Tempo erlebt und auch das Morgen kommt  in verschiedenen Tempi daher. So bleibt vom Diskurs über die Vergangenheit und die Zukunft, einzig der  konkrete Augenblick übrig.

Eine Steigerung der negativen Zeitwahrnehmung erfährt der Mensch im vorgerückten Lebensalter, wo er sich der Endlichkeit des Lebens stärker bewusst wird. Die wissenschaftliche Statistik sagt, der Sterbezeitpunkt rückt näher, dann verläuft die Zeit noch schneller und die Vergangenheit ist manches Mal ausgelöscht.  Speziell kommt die kindliche Vergangenheit zum Vorschein. Umso mehr kommt es zu Handlungen die auf die Ewigkeit setzen, die darauf ausgerichtet sind, etwas für die Zukunft zu bewahren. Etwas von der eigenen Vergangenheit, für die Zukunft,  die nicht mehr die eigene Zukunft sein wird, zu bewahren.

irak:krieg III

Im Zeitraffer will ich etwas von den Ereignissen der letzten Monate, am Persischen Golf, aufschreiben. Der Krieg dauert länger, als es zu Beginn prophezeit wurde. Die massiven Alliierten Luftangriffe haben unter der Bevölkerung viele Opfer verursacht, zu großen Verwüstungen an Gebäuden und öffentlichen Einrichtungen geführt. Die Militärs und die Medien wollten uns einen klinischen Krieg verkaufen, den Computerkrieg, ohne menschliche Opfer. Ich habe nie daran geglaubt, weil auch in und neben militärischen Einrichtungen sich Menschen befinden und bei deren Zerstörung getötet werden. Saddam Hussein hat politisch überlebt, er ist weiter an der Macht. Jetzt wird mit ihm verhandelt, für mich ist dies moralisch nicht nachvollziehbar. Die Kurden haben sich im Nordirak gegen Hussein erhoben und niemand unterstützt sie jetzt dabei. Sie werden von den intakten Elitetruppen Saddams abgeschlachtet. Sehe ich im Fernsehen wie Erwachsene und Kinder, welche vor Saddams Soldaten fliehen, um ein Stück Brot raufen, dann schäme ich mich. Wir sind wählerisch und wollen vieles nicht essen, bei uns wird täglich Brot weggeworfen .

Ein Kurde kommt täglich in das Geschäft und blättert in den Tageszeitungen um sich über das Schicksal der Kurden zu informieren. Beim Reden ist zu Tage gekommen, dass er zu Hause einen kaputten Fernseher hat. Er hat kein Geld um sich einen neuen Fernseher zu kaufen. Daraufhin habe ich ihm meinen gebrauchten Schwarz-weiß Fernseher geschenkt. Als ich ihm das Fernsehgerät in die Wohnung gebracht habe, hat er gesagt: „ Jetzt haben wir die Welt im Haus“….1. Mai 1991

irak:krieg II

Faschingssamstag,ein ungewöhnlicher Tag um an meinem Tagebuch weiterzuschreiben. Es war ein schöner Tag, vormittags reger Geschäftsbetrieb, nachmittags Langlaufen in Fürnitz und anschließend zum Baden nach Warmbad. Jetzt, abends kann ich in Ruhe die Tageszeitung lesen. In den vergangenen Tagen hat es geschneit und beim Langlaufen war es wunderschön. Der Schnee ist  weich und ich gleite lautlos durch die Winterlandschaft. Dabei sind mir Erlebnisse aus Politzen, das morgendliche und abendliche Tränken der Kühe im Winter, eingefallen. Aus dem Stall  wurden sie  zum Brunnen in das Freie getrieben. Das Aufspalten der Holzstämme zu Scheitern und das weitere Zerkleinern mit der Kreissäge bei Schnee und Kälte im Hof. Im Winter haben wir beim Mostholen, beim Holen von Kartoffeln und Äpfel aus dem Erdkeller die Tür sofort geschlossen, damit die Kälte nicht in das Innere eindringen konnte.

Vielleicht kann ich morgen Vormittag, noch einmal Langlaufen. Dabei möchte ich ein paar Fotos von der stillen Winterlandschaft machen. Beim Fotografieren spezialisiere ich mich momentan auf das Motiv „Zäune“, ein weitreichendes Thema. Wir sind in unserem Alltag immer von Zäunen umgeben, überall stehen Zäune. Um uns errichten wir emotionale Zäune und reale Zäune um unser Eigentum. Der  Maskenumzug am Faschingsdienstag wurde in Arnoldstein wegen des Golfkrieges und der Jugoslawienkrise abgesagt. Ich bin der Meinung, ein gutes Wort zum Nachbarn und zum nächsten Mitmenschen trägt mehr zum Weltfrieden bei, als ein abgesagter Faschingumzug. In Arnoldstein darf offiziell und öffentlich nicht gelacht werden, nur heimlich unter der Bettdecke. Der Golfkrieg tritt in die nächste Phase, es folgt der  Bodenkrieg. Auftretende Befürchtungen können in unseren Breiten ausdiskutiert werden. Abends besuche ich einen EDV-Kurs in der Volkshochschule in Villach. Meine erworbenen PC-Kenntnisse kann ich in Zukunft bei der Bestellung von Büchern  einsetzen…….  9. Februar 1991