geschäft:gründung II

Der Schritt das Papiergeschäft zu übernehmen und die Entscheidung zur Selbstständigkeit mit zwanzig Jahren erfolgte sehr spontan. Dabei waren einige Fragen offen, wie meine Kündigung in einer Spittaler Damenschuhfabrik. Eine Woche vor meiner Neuübernahme überraschte ich den Personalchef bei seinem morgendlichen Kontrollgang durch die Fertigungshalle damit, dass ich ihm mitteilte, ich werde am Montag nicht mehr zur Arbeit kommen, da ich am Mittwoch mein eigenes Geschäft eröffne. Der Personalchef wurde ungehalten und bestand von Firmenseite darauf, dass ich eine vierzehntägige Kündigungsfrist einhalten müsste. Für mich, als „Absatzschrauber“, müsste zuerst ein Ersatz gefunden und jemand neu eingeschult werden. Ich arbeitete in der Endfertigung am Montageband in Akkord. Jeder Ausfall eines eingeschulten Arbeiters oder Arbeiterin bedeutete einen Rückgang bei den Produktionszahlen. Allein  dadurch, dass manche Lederteile ungenau zugeschnitten waren, ist es zu Verzögerungen bei der Montage gekommen und hat zu gegenseitigen Schuldzuweisungen geführt, weil jeder sein maximales Pensum erreichen wollte. In den siebziger Jahren wurde jeder Schuh „gebraucht“ und war bereits vorbestellt. Ich hielt an meiner Ankündigung fest.

Etwa zehn Minuten später kam der deutsche Betriebsleiter zu mir und machte mich darauf aufmerksam, dass, sollte ich die Kündigungsfrist nicht einhalten, jeder Schuh, der durch meinen spontanen Abgang weniger produziert wird, von meinem Lohn abgezogen wird.

Als ich vor kurzem diese Episode bei Freunden erzählte, berichtete ein Zuhörer von einer ähnlichen Erfahrung. In einer Fabrik von Fernseh- und Radiogeräten ist es bei der Montage zu ähnlichen Szenen gekommen. Es hat soweit geführt, dass sich die Frauen gegenseitig an den Haaren gezogen haben, wenn eine am Montageband zu langsam war.

Solidarität

 

geschäfts:gründung

Bei einer Betriebsübergabe liegt der Gedanke an den Anfang, wie alles begonnen hat, ganz nahe. Plötzlich ist einem alles bewusst, als wären zwischen Betriebsübergabe und Betriebseröffnung nur ein paar Jahre vergangen und nicht ein paar Jahrzehnte. Angefangen hat alles am Vormittag des 24. Dezembers, durch ein Inserat in der Volkszeitung, dass in Arnoldstein ein Nachfolger für ein Papierwarengeschäft gesucht wird. Den Ort im Gailtal kannte ich nur von der Kärntnerlandkarte, vom Drautal weit entfernt. Mein Bruder besaß einen VW Käfer, mit abgeteilten Heckfenstern und der Blinker war in der Tür integriert, mit diesem fuhren wir nach Arnoldstein. Der erste markante Eindruck war der viele Schnee rechts und links der Straße. Die Papierhandlung war ob des vielen Schnees nicht zu sehen. Ein paar Jahre später wurde im Ort ein Skilift eröffnet, da gab es in den nächsten Winter fast keinen Schnee. Die Geschäftseinrichtung bestand aus, zu dieser Zeit üblichen Holzregalen und einem Verkaufspult. Die Regale waren schon leer gekauft. Das Geschäft wurde von der Frau eines Offiziers, deren Mann in der Garnisonsstadt seinen Dienst versah, als Nebenerwerb betrieben. Während der Öffnungszeiten saß sie meistens im nahen Caféhaus, von wo sie die Kundschaft holen musste. 

Nach meiner Ausbildung im Papier- und Buchhandel sah ich hier eine Möglichkeit für die Selbstständigkeit. Die Übernahmeformalitäten wurden in den nächsten Tagen abgeschlossen. Mich reizte die Vorstellung, dass ich als Selbstständiger viel Zeit zum Lesen haben werde. Die Zeit für das Bücherlesen ist mit der Vergrößerung und der Übersiedelung des Geschäftes an einen neuen Standort immer weniger geworden. 

Bücherparadies. 

 

GLÜCKS.bringer II

Mit dem Jahreswechsel sind verschiedene Rituale, Feiern und Bräuche verbunden. Dazu gehört das Verschenken von Glücksbringern, wobei die Vielfalt so überwältigend ist, dass einem die Auswahl schwer fällt. Dabei gibt es auch heute noch  Standardsymbole wie Schwein, Vierklee, Rauchfangkehrer und Glückskäfer. Oder gehört man zu den „Glückspilzen“, egal ob man diesen aus Kunststoff, aus Marzipan oder Schokolade erhält. Die Materialien haben sich gewandelt, gab es früher hauptsächlich Gummischweine, so gibt es diese jetzt auch in Porzellan, Glas, Messing und Schokolade. Oft werden neue Kombinationen versucht, wie Glücksschweine mit Lottokugeln, da in Österreich das Lotto 6 aus 45 ein Renner ist.  Hat man im alten Jahr viel Geld bei 6 aus 45 verloren, so hofft man, dass man  im Neuen Jahr etwas zurückgewinnen kann. Gab es in den siebziger und achtziger Jahren nur in ausgewählten Geschäften eine größere Auswahl an Glücksbringern, so wird man jetzt vom Angebot erdrückt. Egal bei wem man  schaut, ob Papierhandlung, Drogerie, Bäckerei und Supermarkt, überall stehen oft ein ganzes Heer von Glücksbringern. Sie überfallen einen, greifen einen an, keiner kann dem Glück entkommen. Die wenigsten wissen, wenn sie dieser Fülle von Glücksbringer gegenüberstehen, was für sie Glück bedeutet, wo sie Glück empfinden und wann sie glücklich sind. 

Glücklich gelandet.  

ALLEN GLÜCKLICHEN und besonders den UNKLÜCKLICHEN ein

GLÜCKLICHES NEUES JAHR !

 

ZEIT:krank II

In der Schöpfungsgeschichte heißt es: „Es war Abend und Gott sah, dass es gut war.“ Ist man in der Lage, dass man am Abend ähnliches von sich sagen kann, dann hat man eine entspannte Nacht vor sich. Befindet man sich in der Situation von Sisyphus, der sich Tag für Tag abmühte einen Stein den Berg hochzurollen und dem kurz vor dem Ziel der Stein wieder aus den Händen gerutscht ist, dann wird es eine unruhige Nacht,  mit der Gewissheit, dass dieselbe Mühsal am nächsten Tag wieder bevorsteht. Es gibt Abschnitte im Leben, wo man näher bei Sisyphus liegt als beim Schöpfer. Dies ist der Fall, wenn man mit den immer gleichen Aufgaben konfrontiert ist. Wo man am Vortag weiß, was man am nächsten Tag machen muss. Unzufriedenheit kann sich auch einstellen, wenn man auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung ist und sich dabei zwischen verschiedenen Angeboten nicht entscheiden kann.

In einem ständigen Wettlauf mit der Krankheit ist man, wenn man mit einem kleinen Betrieb selbstständig ist. Die meisten Tage steht man selbst im Betrieb und nur um verschiedene Besorgungen zu erledigen hat man eine Teilzeitkraft. Es ist selbstverständlich, dass man versucht hartnäckige Beschwerden, wie Rückenschmerzen und Magenprobleme, bis zu Saisonende mit Schmerztabletten und Säureblocker abzuwürgen. Da Krankheiten nicht auszurotten sind, treten sie nach Saisonende noch stärker auf. In einzelnen Fällen werden Operationen in die umsatzschwache Zeit verschoben. Mit dem Alter wird die Sorge um die Gesundheit größer und Sorgen sind keine Gesundheitsoase.

Ab fünfzig kann man nichts vorhersagen und die Vorsichtigen lehnen es ab, länger als für drei Monate im Voraus zu planen. Die Optimisten planen für drei Jahre im Voraus. Man sehnt sich nach Urlaub, kann aber nicht genau sagen, ob die Zeit zur Verfügung stehen wird und ob man gesund sein wird. Bezieht man den Aspekt der Gesundheit in seine Planungen ein, dann wird es spekulativ, außer man ist jung. Dazu kommen noch die Vorbereitungen wer in der Abwesenheit die Wohnung, die Katzen, die Blumen und den Kanarienvogel betreuen wird. Nach diesen Vorarbeiten versucht man den Urlaubstermin um jeden Preis einzuhalten, auch um den Preis der Gesundheit.

Gesundbrunnen.

ZEIT:krank

Die Beschäftigung mit der Zeit ist ein immer wiederkehrendes philosophisches Thema. Wir wissen, dass sich Augustinus eingehend mit der Zeit beschäftigt hat. Er wollte ergründen, wie es möglich und vorstellbar ist, dass Gott ewig ist und das er schon immer war. Vor unserer Zeit und nach unserer Zeit. Für viele ist dies nicht nachvollziehbar, wo wir im besten Fall 100 Jahre alt werden können. Dabei ist es nicht sicher, ob dies wünschenswert ist.

Im Erwerbsleben ist die Arbeitszeit vorgegeben, für die meisten ist eine freie Zeiteinteilung innerhalb der Wochenstunden möglich. Bereits in der Übergangsphase zu einem neuen Lebensabschnitt beschäftigt man sich mit der Zeit. Tritt man in eine neue Lebensphase ein, dann wird man mit der Herausforderung konfrontiert, den Tagesablauf selbst einzuteilen. Es muss die Frage geklärt werden, wie lange man eine Tätigkeit ausüben will. Meistens gönnt man sich am Morgen und am Abend mehr Zeit zum Genießen.

Die nächste Phase gehört der Frage, für was verwendet man die neu zur Verfügung stehende Zeit. Man denkt an etwas Sinnhaftes, etwas was man schon immer machen wollte, sodass das Leben bereichert wird. Früher ergab sich der Sinn aus der Erwerbstätigkeit, jetzt muss man um einen Sinn ringen. Dabei kann es zu großen emotionalen Schwankungen kommen, man streitet innerlich darüber, was eine erfüllende Tätigkeit ist. Verschärft wird dieser Konflikt dadurch, dass man eingestehen muss, dass die  Zeit auch nach dem Berufsleben begrenzt ist. Sinnvoll leben kann man erst dann, wenn man den Zeitfaktor ganz hintan stellt.

Irrläufer.