GLÜCK:momente

Es ist ganz unterschiedlich, was die Leute als Glück empfinden. Die Nichte ist glücklich, wenn ich ihr eine Karte aus dem Urlaub schreibe, andere verlangen, dass man ihnen zum Geburtstag einen Urlaub schenkt. Die Einen sind nur mit einem gut bezahlten Job zu frieden, andere begnügen sich damit, immer wieder ein paar Wochen zu arbeiten, genug um zu überleben. Für die Einen bedeutet Glück die Überwindung einer schweren Krankheit oder Glück ist einfach, dass alle in der Familie gesund sind. Glück kann auch bedeuten eine neue Wohnung oder ein neues Haus zu beziehen. Glück hat man, wenn einem ein hilfreicher Mensch begegnet oder die Liebe des Lebens. Für viele wäre das höchste Glück ein Lottogewinn in Millionenhöhe, mit dem Hintergedanken, das Glück könnte man dann kaufen. 

Bei anderen beginnt das Glück am Morgen mit einem Gruß vom Nachbarn oder dem Lächeln einer Kundin. Für mich bedeutet Glück eine Stunde Zeit zu haben, um die Tageszeitung zu lesen oder Musik zu hören.  

Glücksverweigerung.

17.2:1989

Thomas Bernhard (+ 12. 2. 1989) 

Heute, am 17. 2. 1989, hat man in den Nachrichten erfahren, dass Thomas Bernhard am 12.2. gestorben ist. Es erfüllt mich mit Genugtuung, dass es niemanden von den sogenannten „Persönlichkeiten” erlaubt war, an seinem Begräbnis teilzunehmen. Alle offiziellen Reden an seinem Grab wären eine Heuchelei gewesen. Noch vor wenigen Monaten ist er von Politikern, Medien und Leserbriefschreibern für sein Theaterstück „Heldenplatz” beschimpft worden. Bei seinem Begräbnis hätten sich genau diese Leute in Szene gesetzt. Mit ihm habe ich einen Lebensmenschen verloren.  

Ein schrecklicher Tag. In diesem Jahr bleibt mir nichts erspart. Seit heute habe ich die Gewissheit, dass P. Geld aus der Kassa stiehlt. Mich bittet sie, ich soll für sie eine Jause kaufen gehen und inzwischen entwendet sie mir Geld. Während ich die Jause kaufen gehe, hoffe ich, dass sie nichts nehmen wird, aber sie hat es doch getan. Heute konnte ich diese Tatsache nicht mehr verdrängen, ich musste mich diesem Vorfall stellen. Mein Besuch bei ihr war unheimlich. Sie hat auf mein Läuten und Klopfen an der Wohnungstür nicht reagiert. Sie saß in der Wohnung, als ob sie auf mein Kommen gwartet hat. Ich habe sie auf die Diebstähle angesprochen und sie hat diese eingestanden. Sie hat es mit Geldnot erklärt, ich weiß nicht, ob dies stimmt. Hat sie es getan, weil ihr dies schon vor ein paar Monaten gelungen ist? Trotzdem hat sie mir leidgetan oder habe ich mir selbst leidgetan? Ich habe nicht viele Bekannte und jetzt ist eine Bekannte weniger.  Ich wünsche P., dass ihr nichts zustößt. Wie eine Katze hat sie sieben Leben und steht immer wieder auf. Diese Vorkommnisse hinterlassen in mir eine tiefe Wunde. 

19. 02. 1989

Den heutigen Tag habe ich im Gedenken an Thomas Bernhard verbracht. Im Radio und im Fernsehen wurden Wiederholungen von Reportagen und Interviews mit Th. Bernhard gesendet. Im Anschluss an das Fernsehinterview „Monolog – Die Ursache ist man selbst” war eine Diskussionsrunde zur Kärntner Landtagswahl 1989 mit den Spitzenkandidaten  der Parteien. In diese Diskussionsrunde hätte man Ausschnitte aus den Interviews mit Thomas Bernhard zuspielen sollen, dann hätte sich das Absurde in der Politik gezeigt. Sie verwenden Wochen dafür, den Wählern zu erklären, dass ohne sie nichts möglich ist. Sie betreiben Eigenwerbung, dass man sie zur Kenntnis nimmt.  Der Tod von Thomas Bernhard hat in mir einiges wachgerüttelt, unter anderem, wie stark ich mich an die Gesellschaft angepasst habe. Mit den Augen kann man wegschauen und die Augen kann man schließen. Die Ohren kann man nicht schließen und nicht weghören.  Die Ohren hören in alle Richtungen, die Augen sehen nur in eine Richtung. Beim Schlafen sind die Augen geschlossen, die Ohren bleiben wach und hören jedes Geräusch. Es ist mir beim Schlafen so kalt, ich habe viel Wärme nötig und Leben nachzuholen. 

15. 03. 1989

Inzwischen war Wahlsonntag und die große Überraschung sind die Stimmengewinne der FPÖ.

Aus dem Tagebuch.

LEBENS:mensch

Zum  Wort des Jahres 2008 ist in Österreich das Wort „Lebensmensch” gewählt worden. Die Wahl steht in Zusammenhang mit dem Unfalltod von Jörg Haider und Personen, die ihn als ihren Lebensmenschen bezeichnet haben. Man geht davon aus, dass man seinen Lebensmenschen persönlich kennt oder gekannt hat. 

Drei Personen würde ich für mich als Lebensmenschen bezeichnen, obwohl ich sie nicht persönlich gekannt habe. Die „Bekanntschaft” mit allen drei Personen fällt in die ersten zwanzig Lebensjahre. Es sind dies drei SchriftstellerInen, deren Bücher ich gelesen habe, die mein Denken angeregt und beeinflusst haben. Die Erste war Christine Lavant, eine mystische Lyrikerin, die in ihrem Gedichtband „Der Pfauenschrei” für mich eine andere Welt geöffnet hat. Mit Alltagswörtern die Existenz, hinter unserer vordergründigen Welt, beschreibt: „Nicht in mir, nicht außer mir, ohne Heil und ohne Wunde tauch ich auf und geh zugrunde, zeitlich-ewig Sterbestunde.” Der Zweite war Heinrich Böll, der in seinem Roman „Ansichten eines Clown” die Befreiung des Hans Schnier aus den bürgerlichen, christlichen Wertvorstellungen erzählt. Die Doppelmoral beschreibt, zwischen dem Gebet am Sonntag in der Kirche und dem Alltag, der gelebt wird. Der dritte Lebensmensch ist Thomas Bernhard, mit seinem frühen Roman „Frost”. In diesem Roman zeigt er die  Trostlosigkeit auf dem Land, die Aussichtslosigkeit den Tälern zu entkommen. 

Lebensgemeinschaft.

AN:fang

Nachdem die ersten Wochen des neuen Jahres vorbei sind, fragt man sich, wofür lohnt es sich in diesem Jahr zu kämpfen, sich einzusetzen. Dies kann eine persönliche Idee sein von der man überzeugt ist, oder eine fremde. Es lohnt sich für das Wohlergehen von nahestehenden Menschen durch Rücksichtsnahme und Unterstützung, zu sorgen. Eine caritative Organisation zu unterstützen, sich für ein Vorhaben in der Wohnsiedlung einzusetzen. Erholung auf der Langlaufloipe zu suchen oder mit dem Lauftraining zu beginnen. Wichtig ist, die Vorsätze umzusetzen, nicht auf den großen Einfall zu hoffen, nicht zuerst einen  Zeitplan zu erstellen. Dazu gehört sich spontan zu einer Behandlung anzumelden, im Schreibtisch Ordnung zu machen oder zu einem Besuch aufzubrechen, ohne  sich vorher anzumelden. Damit kommen nur die Besuchten und man selbst in einen Konflikt. Was soll man mitbringen und auf der anderen Seite was soll man den Besuchern bieten. Es ist eine Besuchsmodenschau auf hoher Ebene. Das Spontane, das Zwischenmenschliche kommt dabei zu kurz. 

Besuchsmodenschau.

TRADIT:ion

Nach den Feiertagen, ist es in Möselstein ruhig geworden, der Alltag, die Arbeit steht im Vordergrund. Der Einkauf beschränkt sich auf das Notwenigste, das Alltägliche. Manchmal wird ein Stück dreimal in die Hand genommen und wieder zurückgelegt, weil man es nicht wirklich braucht. Dazu gehören der Reimmichlkalender und der „Alte Bauernkalender”, kurz Mandlkalender bezeichnet. Die Heiligen, der Mond und das voraussichtliche Wetter werden mit Hilfe von Symbolen, Mandln, abgebildet. Vor zwei Jahren hätte man das eine und das andere mitgenommen, aus Tradition. Heute bricht man mit dieser Tradition. Das Wort Finanzkrise, welches aus den Zeitungen und dem Fernsehen überschwappt, lässt auch die Tradition einbrechen. 

Aus Tradition kommen zu den Feiertagen bei vielen Familien die erwachsenen Kinder, Geschwister, aus ganz Europa zu einem Besuch nach Hause in den Heimatort. Viele lassen es sich nicht nehmen aus Tradition, zu einer kurzen Begrüßung  in das Geschäft zu kommen,  um zu hören wie es uns geht. Sie sind weggezogen nach London, New York, Wien oder Klagenfurt. Das Geschäft gehört zu den Kindheitserinnerungen. Manchmal verlangen sie Stollwerk, Dreieckschnitten, Caramba oder Eiszuckerln. Die Zeit für stückweise, offene Ware ist vorbei. 

Kommt es zu einem Kontakt mit ehemaligen Schülern, in Werkstätten, Büros oder Gesundheitseinrichtungen, so werden wir freundlich und schnell bedient. Von der Sympathie, mit der wir ihnen begegnet sind, kommt jetzt etwas zurück.   

Mandln mochn.