Dorftratsch

Schon vor Facebook und anderen Social-Media-Kanälen wurde bei einer schlechten Bedienung, wenn der gewünschte Artikel nicht lagernd war oder es war einem jemand einfach unsympathisch eine böse Nachred im Ort verbreitet. Beim Vorläufer der Social-Media, dem Dorftratsch, war alles dabei: Ob der Stabilo Bleistift mit dem Härtegrad 6B und die schwarze Mine für den Pelikan Vierfarbkugelschreiber erst besorgt werden muss, genauso mit wem ich Freitagsabend einen Kaffee getrunken habe. Mit den flüchtigen Kunden denen es anzusehen war, dass sie auf der Durchreise waren, ist man lockerer umgegangen. Diese Kunden werden kein drittes Mal vorbeikommen, höchstens ein zweites Mal bei der Heimreise. Heute lässt sich eine schlechte Kritik weltweit und für lange kommunizieren.

Früher hatten Kleinhändler und Gewerbebetriebe damit zu kämpfen, dass ihr Warenangebot oder ihre Arbeit nicht objektiv, sondern subjektiv nach Empathie bewertet wurden. Ein Vorteil der Pension ist, dass ich im Social-Media-Zeitalter nicht mehr geschäftlich bewertet werden kann. In den Fachzeitschriften für Handels- und Gastronomie werden Tipps gegeben wie man mit Onlinebewertungen, vor allem Negativen, umgeht. Das Hotel- und Gastgewerbe wird oft bewertet. Diese Betriebe lechzen nach Bewertungen und Punkten. Jede Fremdenpension und jedes Dorfgasthaus hat im Eingangsbereich oder im Schankbereich eine Tafel von TripAdvisor hängen, wo man die Bewertungspunkte ablesen kann. In letzter Zeit schlägt die Freude an den Bewertungen in Ärgernis um, weil manche der Bewertungen zu kritisch sind. Ich habe auch schon Benotet, selten kritisch oder es war nicht einsehbar warum Brandflecken bei der Tischplatte oder im Teppich nicht behoben wurden.

guten tag

Ohne Aufheben werden von Microsoft die Programme aktualisiert. Gerade erlebte ich, als ich eine neue Word Seite öffnete, dass in der obersten Leiste „Guten Tag“ stand. Damit bin ich gemeint und von mir ist ein Foto auf jeder Wordseite im Menüband eingebettet. Das Programm, welches sich heute öffnet, dürfte mit dem ursprünglich installierten Programm Word 2016 wenig Gemeinsames haben. So gesehen altert das Programm nicht und die Veränderungen erfolgen unmerklich, nicht von einem Tag auf den Anderen. Verbesserungen, um Befehle schneller zu finden, Funktionen neu zuordnen oder für ein übersichtlicheres Layout. Die Tabs, Menüband ausblenden und Menüband einblenden wurden mit neuen Symbolen ausgestattet.

An mir erlebe ich auch Veränderungen, aber diese sind zumeist keine Verbesserungen. Plötzlich vergrößern sich die Kahlstellen am Hinterkopf, ein Gelenk am Kleinen Finger verdickt sich und die Ferse schmerzt beim Auftreten. Diese Veränderungen passieren beim Modell 1951, lange Zeit wurden sie nicht bemerkt. In den ersten Jahrzehnten wird alles als Zugewinn gesehen. Man wird größer, in der Schule und in der Ausbildung eignet man sich Wissen an und verdient sein eigenes Geld. In den späteren Jahren gibt es einen Zugewinn bei der Lebensstabilität, die Pension sichert ein gewisses Auskommen.  Nicht davon abhängig wieviel Umsatz man gerade erwirtschaftet oder das Risiko durch eine Krankheit eine gewisse Zeit im Betrieb auszufallen. Dadurch kam es zu Schwierigkeiten mit Kunden, nicht unerheblich die gute oder schlechte Nachrede.

Lastenauto

Die Fachmärkte am Stadtrand sind ohne Auto nicht erreichbar.

Die gefühlsmäßig kürzeste Zeitspanne ist die Zeit in der ich Gedanken und Beobachtungen zu Papier bringe. Dabei erlebe ich, dass die Zeit für die Niederschrift meiner Gedanken immer zu knapp ist. Irgendwann stellt sich im Kopf eine Erschöpfung ein. Eine solche Erschöpfung gibt es auch in anderen Zusammenhängen, liegt vor mir etwas Unangenehmes. Als Rentner hat dies mit dem Körper zu tun, der viel beschworenen und sehr gewünschten Gesundheit. Zeigen sich im gesunden Körper Risse, dann kreisen die Gedanken um mögliche Folgen. Gibt es eine Möglichkeit diese Risse zu reparieren? Die Spalten im Körper abzudichten, damit der gesunde Bereich nicht von den infizierten Stellen angesteckt wird. Unter solchen Umständen kehren die Gedanken immer wieder zu den Rissen zurück und lösen die Frage aus: Entsprechen die Befürchtungen der wirklichen Situation?

Im Alltag bin ich derzeit in meinem Bewegungsradius eingeschränkt, daher schätzen wir es, dass uns ein Auto zur Verfügung steht. Wir wohnen am Stadtrand und trotz der Bestrebungen den öffentlichen Verkehr in Villach auf Vordermann zu bringen bedeutet dies nicht, dass es in jeder Straße eine Haltestelle gibt. Auch rücken nicht alle Supermärkte näher an die Wohnanlage heran. Wer für einen zwei Personen Haushalt für eine Woche einkauft wird feststellen, dass man dies zu Fuß nicht bewerkstelligen kann. Bei einem Fußweg von einer halben Stunde zum nächsten Lebensmittelmarkt würde dies für einen Wocheneinkauf bedeuten mehrmals diese Strecke zurückzulegen. Von Fachmärkten, die am anderen Stadtrand liegen, ist man ohne Auto abgeschnitten. Wer könnte mit dem öffentlichen Verkehr, im fortgeschrittenen Alter, vierzig Liter Blumenerde und zwei Sträucher transportieren? In der Warteschleife auf einen Operationstermin habe ich das eigene Auto neu schätzen gelernt. Wir haben darüber diskutiert, brauchen wir ein Auto? Es gibt Freizeit- und Besuchstermine, die weitab von der Stadt liegen und mit einem dem Pkw um vieles bequemer erreichbar sind. Wie könnten wir Bekannte, welche in Mitschig im Gailtal, fernab von Eisenbahn und Busstation wohnen, spontan besuchen. Beim Bücherabstauben im Frühsommer habe ich manche aussortiert. Die aussortierten Bücher, welche zu den schweren Kalibern zählen, bringe ich zu einer Büchertauschbörse. Für die Zweckmäßigkeit eines Lastenauto am Stadtrand oder im ländlichen Gebiet gäbe es weitere Beispiele. Aus dem Tageheft… 

vw-käfer

Fährt die Straßenbahn über Weichen oder in die Kurve, dann muss man als stehender Fahrgast achtgeben nicht gegen einen Sitz oder einen anderen Fahrgast geschleudert zu werden. Vor kurzem ist es mir in Salzburg so ergangen, dass ich halb gewollt und halb geschleudert auf einem Sitz gelandet bin, auf einer Pobacke. Zum Sitznachbar habe ich hörbar, mit einer gewissen Ironie gesagt, besser schlecht gefahren als gut gegangen. Ganz in der Nähe war ein Herr in Uniform, wahrscheinlich ein Fahrschein Kontrollor. Dieser hat mich streng angeblickt und nachgefragt: „Warum, was ist nicht in Ordnung? Ich habe geantwortet: „Dies ist ein Spruch aus den sechziger Jahren, wo nicht jede Familie ein Auto besessen hat“. War jemand aus der Nachbarschaft in Ferndorf mit dem Auto unterwegs, so hat man sich erkundigt ob man nach Politzen mitfahren könnte? Soweit Platz war hat der Nachbar alle auf den Berg mitgenommen. In einem VW Käfer der sechziger Jahre sind auf der Rückbank bis zu fünf Personen gesessen und dazu kamen die prallgefüllten Rucksäcke mit den Lebensmitteln auf dem Schoß. Dabei ist es im VW-Käfer eng geworden. Bevor jemand den etwa einstündigen Fußmarsch bergwärts mit einigem Gebäck auf dem Rücken auf sich genommen hat, ist man lieber schlecht gefahren als gut gegangen.

Das erste Auto in der Familie fuhr mein Bruder, ein VW- Käfer mit geteiltem Rückfenster und seitlichen Blinkerhebeln. Damit wurde das Rechts- oder Linksabbiegen angezeigt, keine blinkenden Lichter vorne und hinten. Bei den Ausflügen, Besuchen und Einkäufen mit dem Auto hatte oberste Priorität, dass daheim am Hof genug Leute waren um die Kühe, Schweine und das Pferd mit Futter zu versorgen. Für das Melken der Kühe musste jemand anwesend sein, der dies händisch konnte. Aus diesen Umständen sind Vater und Mutter nie gemeinsam mit dem VW-Käfer mitgefahren. Zur Unterstützung der Stallarbeit ist auch eines der Kinder zu Hause geblieben. Diese Regel war eine Absicherung, sollte es bei der Heimfahrt zu einer Verzögerung oder eventuell zu einem Unfall kommen, so war die Stallarbeit, wie die Fütterung und das Melken genannt wurden, auf jeden Fall sichergestellt. Vor jedwedem Vergnügen, Erholung oder Besorgungen hatte die Stallarbeit oberste Priorität.     

morgenwäsche

Ein Taxifahrer machte mich während der Fahrt von Warmbad zum Hauptbahnhof Villach darauf aufmerksam, dass seine Kinder für die voraussichtlichen Schneefälle gut gerüstet sind. Sie sind abgehärtet, nicht jeden Meter werden sie mit dem Auto gefahren. In seiner Schulzeit, in den 70er Jahren am Land, waren Zuhause nicht alle Räume geheizt. Der Fußweg zur Schule dauerte etwa eine halbe Stunde. Im Herbst war es oft regnerisch und windig, im Winter der Fußweg verschneit und morgens bitter kalt. Er musste die Bekleidung von seinem älteren Bruder nachtragen, nicht alle Kleidungsstücke passten gut.

Meinerseits kann ich zwei Jahrzehnte weiter zurückschauen, in die 50er und 60er Jahre. Im Bergbauernhaus gab es einen beheizten Raum, dies war die große Küche. Der Holzherd wurde jeden Morgen neu eingeheizt, patzte man beim Feuer machen verzögerte sich die Erwärmung der Küche. Dort stand in einer Ecke die Waschschüssel für die Morgenwäsche. Unser Kinderschlafzimmer konnte nicht beheizt werden, auf den Zimmerfenstern bildete sich im Winter eine Eisschicht mit Eisblumen. Hauchten wir die Fensterscheibe an, konnten wir einen engen Blick in das Tal machen. Beim zu Bett gehen diente uns ein Schamotteziegel, welcher im Backrohr erwärmt und dann in ein ausrangiertes Flanellhemden eingewickelt wurde, als Wärmeflasche. Während der Lehrzeit erwärmte ich in der Mittagsstunde meine Füße und Hände, in den Wintermonaten, an der warmen Luft welche aus den Kanalgittern aufstieg. Zuflucht suchte ich teilweise im beheizten Warteraum vom Spittaler Bahnhof, den ich mit Unterstandslosen und einigen Alkoholikern über die Mittagszeit teilte. Dort verzehrte ich meine Jausenbrote, selbstgebackenes Schwarzbrot, bestrichen mit Butter und belegt mit Käse und Speck.